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Kriterien guten Sportunterrichts

Der Referenzrahmen Schulqualität NRW und die Rahmenvorgaben für den Schulsport beschreiben auf der übergeordneten Ebene bereits viele Aspekte, die in Nordrhein-Westfalen das grundlegende Verständnis für einen guten Sportunterricht repräsentieren. Diese Rahmengebung wird im Weiteren kriterienorientiert ausdifferenziert.

Für eine notwendige Begriffsklärung hilft es, sich zunächst einmal anerkannte Kriterien für guten Unterricht anzuschauen. Ein überfachliches Modell, welches sich auf Grund seiner allgemeinen Akzeptanz und Etabliertheit dafür anbietet, sind die 10 Kriterien für guten Unterricht von Hilbert Meyer.

Kriterien für guten Unterricht (Meyer, H., 2011)

Darüber hinaus hat der Sportunterricht aber auf Grund seiner besonderen Lehr-Lernsituation noch weitere Aspekte, welche für einen guten Unterricht bedacht und umgesetzt werden müssen und die nicht durchgängig bei Meyer genannt werden. Aus diesem Grund haben Gebken und zum Beispiel auch Reckermann eigene Kataloge veröffentlicht, die sich aber grundsätzlich an der Struktur von Meyer orientieren. In der folgenden Tabelle werden die unterschiedlichen Kriterienkataloge gemäß ihren Gemeinsamkeiten aber auch ihrer Unterschiede dargestellt und miteinander verglichen.

 

Meyer (2003) Reckermann (2004) Gebken (2003) Gebken (2005)
Klare Strukturierung des Unterrichts Klare Strukturierung des Lehr- und Lernprozesses Strukturiertheit Klare Strukturierung
Hoher Anteil echter Lernzeit Intensive Bewegungszeit mit kausalem Theorie-Praxis-Bezug Optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit Hoher Anteil an Bewegungszeit
Lernförderliches Klima Positive Lehrerpersönlichkeit Unterrichtsklima Bewegungsförderliches Unterrichtsklima
Inhaltliche Klarheit Stimmigkeit der Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen Stimmigkeit der Ziele, Inhalte und Methoden Stimmigkeit der Ziele, Inhalte und Methoden
Sinnstiftendes Kommunizieren Sinnstiftende Unterrichtsgespräche
Methodenvielfalt Methodenvielfalt Methodenvielfalt Methodenvielfalt
Individuelles Fördern Individuelles Fördern Förderhaltung Bewusstes Fördern und Üben
Intelligentes Üben
Transparente Leistungserwartungen Klare Leistungserwartungen und -kontrollen Leistungserwartungen und -kontrollen Klare Leistungserwartungen
Vorbereitete Umgebung Sachgerechter Organisationsrahmen
Förderung der Selbstständigkeit/Handlungsfähigkeit
Regelmäßige Nutzung von Schüler-Feedback Schülerfeedback Schüler-Feedback und Arbeitsbündnisse
Lange Einbindung der SchülerInnen in motorische Aktivitäten

Vergleich unterschiedlicher Kriterienkataloge für guten (Sport-)Unterricht

Auffällig hierbei sind vor allem die vielen Schnittmengen und Gemeinsamkeiten, die sich bei der Betrachtung ergeben. So sind sich alle Autoren darin einig, dass eine klare Unterrichtsstruktur eine Grundvoraussetzung ist, um einen Unterricht zu etablieren, der auch hinsichtlich seiner Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen stimmig ist. Bei den Methoden herrscht auch dahingehend Einigkeit, dass diese vielfältig sein sollten und im Sinne einer Differenzierung auch eine individuelle Förderung ermöglichen. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang sicherlich auch die zunehmende Herausforderung im Umgang mit digitalen Endgeräten dar. Nähere Informationen hierzu finden sich hier.

Mit den Erkenntnissen von Hattie (2013) stellt auch ein lernförderliches Unterrichtsklima ein zentrales Kriterium dar, welches vor allem durch eine positive Lehrerpersönlichkeit generiert wird.

Bewegungszeit und reflektierte Praxis

Ein immer wiederkehrender Aspekt in der Diskussion um die Kriterien für einen guten Sportunterricht, ist die Frage nach einer adäquaten Bewegungszeit. Diese geht aber einher mit der grundlegenden Frage der Funktionalität und der Aufgabe eines kompetenzorientierten, an den Vorgaben der Kernlehrpläne ausgerichteten Sportunterrichts. Die Diskussion wird dabei sowohl innerhalb der Sportdidaktik als auch in der Lehrerausbildung intensiv geführt, ohne dass es einen allgemeinen, didaktisch begründeten Konsens gibt, d.h. wie viel Bewegungszeit einen guten Sportunterricht ausmachen, kann nicht abschließend quantifiziert werden.

Auf der einen Seite stehen dabei diejenigen, die eine – gerade auch im Nachgang der Corona-Pandemie – möglichst hohe quantitative Bewegungszeit als Grundaufgabe des Sportunterrichts sehen. Hier ist eine Kompensation eines offensichtlichen Bewegungsmangels intendiert und dem Sportunterricht werden kompensatorische Aufgaben auferlegt. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die einen kompetenzorientierten Sportunterricht vertreten, der immer auch mit einer reflektierten Praxis einhergeht. Diese beinhaltet neben einer motorischen Aktivierung immer auch einen kognitiven Aspekt. So betont Serwe-Pandrick (2013) in ihrem viel zitierten Artikel zur Bedeutung der reflektierten Praxis: „Erst wenn die sportpraktischen Erfahrungen sprachlich repräsentiert und sozial vermittelt werden, - z.B. schriftlich über Portfolios und Lerntagebücher oder mündlich über Präsentationen und das geteilte Denken in Gesprächen - sind diese im Unterricht systematisch analysier- und interpretierbar.“ Wenn die Intention also eine ganzheitliche Aktivierung der Schülerinnen und Schüler beinhaltet, dann müssen bestimmte Phasen im Unterricht auch reflektiert werden. So formuliert Serwe-Pandrick (ebda.): „Erst wenn der Sportunterricht nicht mehr einzig als Trainings- oder Kompensationsort, sondern als Lernort begriffen wird, ist auch mit einer partiellen „Umwidmung" der Bewegungs- in Reflexionszeit kein Verlustschmerz mehr verbunden.“

Peter Neumann hat dazu bereits 2012 das pragmatische Konzept der Bewegungslernzeit in die sportpädagogische Diskussion eingebracht. Aus seiner Sicht müssen die Aufgaben so gestaltet werden, dass eine aktive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Arbeitsaufträgen gefordert wird und nicht nur die Umsetzung einer einfachen Bewegungsanweisung. Er warnt zudem davor den Unterricht mit zu vielen „anspruchsvollen didaktischen Prinzipien“ zu überfrachten. Guardiera und Leineweber (2020) bündeln die Diskussion aus ihrer Sicht wie folgt, so „[…] liegt der Bildungswert des Sportunterrichts in mehr als nur dem sportpraktischen Tun und die Qualität des Sportunterrichts in mehr als einer hohen Bewegungszeit. Vielmehr geht es darum, die Lernenden zum mündigen Umgang mit dem Gegenstand und dem daran Gelernten zu befähigen; dies spiegelt nicht zuletzt auch die pädagogische Leitidee der Förderung einer umfassenden sportbezogenen Handlungsfähigkeit wider.“

Sportunterricht ist somit ohne Reflexion nicht denkbar und der (zeitliche) Umfang stark vom jeweiligen Gegenstand (Komplexität, Diskussionsbedarf, Bedeutung für das weitere Unterrichtsgeschehen etc.) abhängig.

Daraus ergibt sich folgender Grundsatz:

So viel qualitativ wertvolle Bewegungszeit wie möglich und so viel Reflexionszeit wie nötig.

 

Literaturangaben:

Guardiera, P. / Leineweber, H. (2020): Reflektierte Praxis im Sportunterricht. Sportpädagogik 44 (2),

Hattie, John (2013): Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler.

Meyer, H. (2011): Was ist guter Unterricht? Cornelsen Verlag Berlin

Neumann, P. / Hafner, S. (2012): Bewegungslernzeit anbieten. Sportpädagogik 36 (2), 2 -7

Serwe-Pandrick, E. (2013): Learning by doing and thinking? Zum Unterrichtsprinzip der reflektierten Praxis. In: Sportunterricht 62 (4), S. 100 -106

 

 

 

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