1 Aufgaben und Ziele
Im Englischunterricht der Primarstufe erwerben die Schülerinnen und Schüler grundlegende kommunikative und interkulturelle Kompetenzen, mithilfe derer sie die englische Sprache als universales Verständigungsmittel in Europa und der Welt erfahren und über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg vertrauensvolle Beziehungen aufbauen können. Konkrete und altersgerechte Situationen kommunikativ erfolgreich bewältigen zu können, hierfür bekannte Sprachmittel, aber auch interkulturelle und soziale Kompetenzen zielgerichtet einzusetzen und entsprechend der Situation anzupassen, steht gemäß dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen“ (GeR) im Vordergrund. Der Englischunterricht in der Primarstufe bietet die Möglichkeit, den Grundstein für eine lebenslange Motivation zum Sprachenlernen zu legen und den Erwerb der englischen Sprache und erster grundlegender Sprachlernstrategien als Modell für das Erlernen weiterer Sprachen zu nutzen.
Folgende Leitziele prägen den Englischunterricht in der Primarstufe:
- die Entwicklung von Interesse und Freude am Sprachenlernen
- die Entwicklung von kommunikativer und interkultureller Handlungsfähigkeit
- der Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken sowie wirkungsvollen Strategien des Sprachenlernens
Der Englischunterricht strukturiert Lerngelegenheiten so, dass alle Schülerinnen und Schüler bereits vorhandene allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Aneignung der englischen Sprache auf individuelle Weise nutzen und so Könnenserfahrungen sammeln.
Zentral sind kommunikative Sprachhandlungssituationen, die für alle Schülerinnen und Schüler herausfordernd, bedeutsam sowie möglichst authentisch und innerhalb unterschiedlicher Anforderungsbereiche entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten zu bewältigen sind. Durch Kommunikationssituationen und die zunehmende Nutzung des Englischen als Arbeitssprache erfahren die Schülerinnen und Schüler frühzeitig, dass sie sinnvoll sprachlich handeln und sich auf Englisch wirkungsvoll verständigen können.
Der Einsatz vielfältiger englischspezifischer Rituale leistet einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der kommunikativen Kompetenz, da sie ein hohes Maß an sprachlicher Aktivität aller Schülerinnen und Schüler und die wiederholende Übung, Anwendung und Automatisierung elementarer Redemittel ermöglichen.
Imitation ist die Grundlage eines jeden erfolgreichen (Erst- wie Zweit-) Spracherwerbs und idiomatische Kommunikation ist ohne imitativ und reproduktiv genutzte Wörter und Strukturen (chunks) nicht denkbar. Kommunikationssituationen, die für die Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind und sich an ihrer Lebenswelt orientieren, laden dazu ein, sich von vorgegebenen Strukturen zu lösen und zunehmend frei mit vorhandenem Wortmaterial zu agieren. Die Schülerinnen und Schüler vernetzen ihr Wissen, lösen sich von Gerüsten und probieren sich in der englischen Sprache aus. Dabei gilt das Hauptinteresse dem Inhalt und erst zweitrangig der sprachlichen Korrektheit (message before accuracy). Fehler werden situationsangemessen aufgegriffen (corrective feedback) und als wichtiger Zwischenschritt im Fremdspracherwerb wahrgenommen und genutzt. Sie werden in Reflexionsgesprächen aufgegriffen und fördern die Sprachbewusstheit.
Die Schülerinnen und Schüler verstehen Schrift von Beginn an als Merk- und Lernhilfe sowie als Schlüssel zu didaktisierten und authentischen anglophonen Medien. Sie erfahren, dass sie die englische Schrift in ihrer kommunikativen und interaktiven Form verwenden können.
Elementar ist das Thematisieren von Sprachbesonderheiten der englischen Sprache und der Vergleich mit der Herkunftssprache. Das Vermitteln, Anwenden, Reflektieren und Sprechen über genutzte Lernstrategien und Hilfen fördert die Schülerinnen und Schüler in ihrem eigenen Sprachlernprozess und befähigt sie zunehmend, eigenständig zu arbeiten.
Die reflektierte Nutzung analoger und digitaler Medien im Englischunterricht ermöglicht den Schülerinnen und Schülern individualisiertes und selbstgesteuertes Lernen. Authentische Materialien, in denen native speakers zu hören und zu sehen sind, schaffen Gelegenheiten für die Auseinandersetzung mit anglophonen Lebensräumen sowie einen lehrerunabhängigen Zugang zur englischen Sprache.
Gemäß dem Bildungsauftrag der Primarstufe leistet das Fach Englisch einen Beitrag dazu, den Schülerinnen und Schülern elementare Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln und damit eine Grundlage für die weitere Schullaufbahn zu legen.
Es ist Aufgabe der Primarstufe, die Fähigkeiten, Interessen und Neigungen aller Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und sie mit den Anforderungen fachlichen und fächerübergreifenden Lernens zu verbinden. Die in den Lehrplänen beschriebenen Kompetenzerwartungen stellen eine Bezugsnorm für das Gemeinsame Lernen dar, da die Kompetenzen in unterschiedlichem Umfang, in unterschiedlichem Anforderungsniveau und Komplexität erworben werden können.
Mit Eintritt in die Primarstufe verfügt jedes Kind über sehr individuelle Lern- und Bildungserfahrungen. In Ergänzung der frühkindlichen Bildung in der Familie gehört zu den Aufgaben des Elementarbereichs die ganzheitliche Förderung des Kindes in der Entwicklung seiner Persönlichkeit durch informelle, erkundende und spielerische Lernformen. Im Sinne eines Kontinuums greift die Primarstufe individuelle Lern- und Bildungserfahrungen in der Schuleingangsphase auf, führt sie alters- und entwicklungsgemäß fort und leitet behutsam Formen systematischen Lernens und Arbeitens an.
Da in allen Fächern der Primarstufe fachliches und sprachliches Lernen eng miteinander verknüpft sind, ist es die gemeinsame Aufgabe und Verantwortung aller Fächer, die bildungssprachlichen Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler als wichtige Voraussetzung zum Lernen und für den Schulerfolg zu entwickeln und zu stärken. Mehrsprachigkeit wird dabei als Ressource für die sprachliche Bildung verstanden.
Dem Englischunterricht in der Primarstufe, der den Erwerb einer Fremdsprache fokussiert und die Zielsprache von Beginn an als Unterrichts- und Verständigungsmittel nutzt, kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, denn der (funktional) einsprachig geführte Englischunterricht ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern,
- das größtmögliche Maß an fremdsprachlichem Input zu erhalten,
- Englisch von Anfang an als Kommunikationsmittel im classroom discourse zu erleben,
- von einem vergleichbaren Ausgangspunkt die erste Fremdsprache im schulischen Kontext zu erwerben, unabhängig von einem ein- oder mehrsprachigen Aufwachsen und eventuellen sprachlichen Barrieren in der deutschen Sprache,
- die Bereitschaft zu entwickeln, Unklarheiten auszuhalten und nicht sofort aufzugeben, wenn etwas nur bruchstückhaft verstanden wird (Ambiguitätstoleranz).
In einem (funktional) einsprachig geführten Englischunterricht sind Maßnahmen erforderlich, die alle Schülerinnen und Schüler in ihrem individuellen fremdsprachlichen Lernprozess unterstützen, um ihnen zu ermöglichen, ihre kommunikative Handlungsfähigkeit optimal zu entwickeln.
Scaffolding bietet als Unterstützungssystem im sprachsensiblen (funktional) einsprachigen Englischunterricht vielfältige Möglichkeiten, alle Schülerinnen und Schüler durch (digitale) Medien, Materialien und Arbeitsmittel sowie durch eine gute und reiche Lernumgebung bei der selbstständigen Bewältigung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Scaffolds als Lerngerüste fokussieren dabei nicht die jeweilige Aufgabe, sondern die Unterstützung aller Schülerinnen und Schüler in ihrem individuellen Lernprozess. Auf diese Weise bieten sie viele Möglichkeiten der Differenzierung.
Im Rahmen des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule unterstützt der Unterricht im Fach Englisch die Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortlichen, für ein friedliches und diskriminierungsfreies Zusammenleben einstehenden Persönlichkeit. Das Fach leistet weiterhin Beiträge zu fachübergreifenden Querschnittsaufgaben in Schule und Unterricht, hierzu zählen u. a.
- Menschenrechtsbildung,
- Werteerziehung,
- politische Bildung und Demokratieerziehung,
- Medienbildung und Bildung für die digitale Welt,
- Verbraucherbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung,
- geschlechtersensible Bildung,
- kulturelle und interkulturelle Bildung.
Die inhaltlichen Kooperationen mit anderen Fächern und Lernbereichen sowie außerschulisches Lernen und Kooperationen mit außerschulischen Partnern können sowohl zum Erreichen und zur Vertiefung der jeweils fachlichen Ziele als auch zur Erfüllung übergreifender Aufgaben beitragen.
Der vorliegende Lehrplan ist so gestaltet, dass er Freiräume für Vertiefung, schuleigene Projekte und die Beachtung aktueller Entwicklungen lässt. Die Umsetzung der verbindlichen curricularen Vorgaben in schuleigene Vorgaben liegt in der Gestaltungsfreiheit – und Gestaltungspflicht – der Fachkonferenzen sowie der pädagogischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer. Damit ist der Rahmen geschaffen, gezielt Kompetenzen und Interessen der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und zu fördern bzw. Ergänzungen der jeweiligen Schule in sinnvoller Erweiterung der Kompetenzen und Inhalte zu ermöglichen.