1 Aufgaben und Ziele
Den Aufgaben und Zielen des Mathematikunterrichts und dem Wesen der Mathematik wird in besonderer Weise eine Konzeption gerecht, in der das Mathematiklernen durchgängig als konstruktiver, entdeckender Prozess verstanden wird. Der Unterricht ermöglicht einen aktiven Kompetenzerwerb durch ergiebige Aufgabenstellungen auf unterschiedlichen Niveaus. Fehler sind häufig Konstruktionsversuche auf der Basis vernünftiger Überlegungen und liefern wertvolle Einsichten in die mathematikbezogenen Denkweisen der Schülerinnen und Schüler. Die Wirkung des Mathematikunterrichts entfaltet sich in der individuellen Auseinandersetzung mit fachlichen Strukturen ebenso wie in der wechselseitigen Verständigung und Kooperation darüber.
Der Mathematikunterricht der Grundschule greift die frühen mathematischen Erfahrungen der Kinder auf, vertieft und erweitert sie. Im Laufe der Grundschulzeit werden grundlegende mathematische Inhalte, Aufgaben und Darstellungsmittel immer wieder auf verschiedenen Niveaus angesprochen und somit kontinuierlich angereichert, ausdifferenziert und miteinander verknüpft. Auf diese Weise wird die Grundlage für das weiterführende schulische Mathematiklernen und für die lebenslange Auseinandersetzung mit mathematischen Anforderungen des täglichen Lebens geschaffen.
Die Prinzipien der Anwendungsorientierung und der Strukturorientierung bringen die Beziehungshaltigkeit der Mathematik zum Ausdruck. Anwendungsorientierung meint einerseits, dass mathematische Vorerfahrungen aus lebensweltlichen Situationen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Andererseits werden Einsichten über die Realität mithilfe mathematischer Methoden neu gewonnen, erweitert und vertieft. Das Prinzip der Strukturorientierung unterstreicht, dass mathematische Aktivität häufig im Finden, Fortsetzen, Beschreiben und Begründen von Mustern besteht. So trägt der Mathematikunterricht zu einem Verständnis von Mathematik als die Wissenschaft der Muster und Strukturen bei.
Der verständnisorientierte Erwerb mathematischer Begriffe und Verfahrensweisen ist das Fundament des Mathematikunterrichts. Insbesondere im Anfangsunterricht wird darauf geachtet, dass die Lernenden sowohl ein tragfähiges Zahl- als auch Operationsverständnis, ein gesichertes Stellenwertverständnis sowie nicht-zählende Rechenstrategien erwerben können.
Mathematik ist ohne Darstellungen nicht (be-)greifbar, so dass neben dem Einsatz verschiedener Darstellungsformen (Handlungen mit Material, bildliche Darstellungen, Sprache und mathematische Symbole) auch deren wechselseitige Vernetzung, nicht nur in Einführungsphasen, unabdingbar ist. Darstellungsmittel sind zudem eine Kommunikations- und Argumentationshilfe für das Veranschaulichen von Denkwegen und das Sichtbarmachen von mathematischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten.
Mithilfe geeigneter Handlungsmaterialien oder bildlicher Darstellungen führen die Lernenden beim grundlegenden Üben (gedankliche) Operationen aus. Vernetzendes Üben dient der Geläufigkeit und der Beweglichkeit. Es sichert und vertieft vorhandenes Wissen und Können, indem Beziehungen zwischen Zahlen und Operationen bewusst thematisiert werden. Das automatisierende bzw. die Geläufigkeit sichernde Üben baut letztendlich auf einer sicheren Verständnisgrundlage auf. Entdeckendes Üben thematisiert Muster und Strukturen im Rahmen ergiebiger Aufgabenstellungen und bietet somit besondere Optionen zur Förderung der prozessbezogenen Kompetenzen.
Für die Entwicklung mathematischen Verständnisses ist es gleichermaßen bedeutsam, dass die Lehrkraft den Erwerb sowohl der inhaltlichen als auch der prozessbezogenen Kompetenzen kontinuierlich unterstützt. Beide Bereiche bedingen einander.
Darüber hinaus trägt besonders ein an den prozessbezogenen Kompetenzen ausgerichteter Unterricht dazu bei, dass die Lernenden eine positive Einstellung zur Mathematik behalten oder entwickeln. Sie verfügen über Interesse an mathematikhaltigen Phänomenen, Motivation, Ausdauer und Konzentration im Prozess des mathematischen Arbeitens, die Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Schwierigkeiten sowie Einsicht in den Nutzen des Gelernten.
Gemäß dem Bildungsauftrag der Primarstufe leistet das Fach Mathematik einen Beitrag dazu, den Schülerinnen und Schülern elementare Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln und damit eine Grundlage für die weitere Schullaufbahn zu legen.
Es ist Aufgabe der Primarstufe, die Fähigkeiten, Interessen und Neigungen aller Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und sie mit den Anforderungen fachlichen und fächerübergreifenden Lernens zu verbinden. Die in den Lehrplänen beschriebenen Kompetenzerwartungen stellen eine Bezugsnorm für das Gemeinsame Lernen dar, da die Kompetenzen in unterschiedlichem Umfang, in unterschiedlichem Anforderungsniveau und Komplexität erworben werden können.
Mit Eintritt in die Primarstufe verfügt jedes Kind über sehr individuelle Lern- und Bildungserfahrungen. In Ergänzung der frühkindlichen Bildung in der Familie gehört zu den Aufgaben des Elementarbereichs die ganzheitliche Förderung des Kindes in der Entwicklung seiner Persönlichkeit durch informelle, erkundende und spielerische Lernformen. Im Sinne eines Kontinuums greift die Primarstufe individuelle Lern- und Bildungserfahrungen in der Schuleingangsphase auf, führt sie alters- und entwicklungsgemäß fort und leitet behutsam Formen systematischen Lernens und Arbeitens an.
Da in allen Fächern der Primarstufe fachliches und sprachliches Lernen eng miteinander verknüpft sind, ist es die gemeinsame Aufgabe und Verantwortung aller Fächer, die bildungssprachlichen Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler als wichtige Voraussetzung zum Lernen und für den Schulerfolg zu entwickeln und zu stärken. Mehrsprachigkeit wird dabei als Ressource für die sprachliche Bildung verstanden.
Im Rahmen des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule unterstützt der Unterricht im Fach Mathematik die Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortlichen, für ein friedliches und diskriminierungsfreies Zusammenleben einstehenden Persönlichkeit. Das Fach leistet weiterhin Beiträge zu fachübergreifenden Querschnittsaufgaben in Schule und Unterricht, hierzu zählen u. a.
- Menschenrechtsbildung,
- Werteerziehung,
- politische Bildung und Demokratieerziehung,
- Medienbildung und Bildung für die digitale Welt,
- Verbraucherbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung,
- geschlechtersensible Bildung,
- kulturelle und interkulturelle Bildung.
Die inhaltlichen Kooperationen mit anderen Fächern und Lernbereichen sowie außerschulisches Lernen und Kooperationen mit außerschulischen Partnern können sowohl zum Erreichen und zur Vertiefung der jeweils fachlichen Ziele als auch zur Erfüllung übergreifender Aufgaben beitragen.
Der vorliegende Lehrplan ist so gestaltet, dass er Freiräume für Vertiefung, schuleigene Projekte und die Beachtung aktueller Entwicklungen lässt. Die Umsetzung der verbindlichen curricularen Vorgaben in schuleigene Vorgaben liegt in der Gestaltungsfreiheit – und Gestaltungspflicht – der Fachkonferenzen sowie der pädagogischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer. Damit ist der Rahmen geschaffen, gezielt Kompetenzen und Interessen der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen und zu fördern bzw. Ergänzungen der jeweiligen Schule in sinnvoller Erweiterung der Kompetenzen und Inhalte zu ermöglichen.