4 Abiturprüfung
Die allgemeinen Regelungen zur schriftlichen und mündlichen Abiturprüfung, mit denen zugleich die Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz umgesetzt werden, basieren auf dem Schulgesetz sowie dem entsprechenden Teil der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe.
Fachlich beziehen sich alle Teile der Abiturprüfung auf die in Kapitel 2 dieses Kernlehrplans für das Ende der Qualifikationsphase festgelegten Kompetenzerwartungen. Bei der Lösung schriftlicher wie mündlicher Abituraufgaben sind generell Kompetenzen nachzuweisen, die im Unterricht der gesamten Qualifikationsphase erworben wurden und deren Erwerb in vielfältigen Zusammenhängen angelegt wurde.
Die jährlichen „Vorgaben zu den unterrichtlichen Voraussetzungen für die schriftlichen Prüfungen im Abitur in der gymnasialen Oberstufe“ (Abiturvorgaben), die auf den Internetseiten des Schulministeriums abrufbar sind, konkretisieren den Kernlehrplan, soweit dies für die Schaffung landesweit einheitlicher Bezüge für die zentral gestellten Abiturklausuren erforderlich ist. Die Verpflichtung zur Umsetzung des gesamten Kernlehrplans bleibt hiervon unberührt.
Im Hinblick auf die Anforderungen im schriftlichen und mündlichen Teil der Abiturprüfungen ist grundsätzlich von einer Strukturierung in drei Anforderungsbereiche auszugehen, die die Transparenz bezüglich des Selbstständigkeitsgrades der erbrachten Prüfungsleistung erhöhen soll.
- Anforderungsbereich I umfasst das Wiedergeben von Sachverhalten und Kenntnissen im gelernten Zusammenhang, die Verständnissicherung sowie das Anwenden und Beschreiben geübter Arbeitstechniken und Verfahren.
- Anforderungsbereich II umfasst das selbstständige Auswählen, Anordnen, Verarbeiten, Erklären und Darstellen bekannter Sachverhalte unter vorgegebenen Gesichtspunkten in einem durch Übung bekannten Zusammenhang und das selbstständige Übertragen und Anwenden des Gelernten auf vergleichbare neue Zusammenhänge und Sachverhalte.
- Anforderungsbereich III umfasst das Verarbeiten komplexer Sachverhalte mit dem Ziel, zu selbstständigen Lösungen, Gestaltungen oder Deutungen, Folgerungen, Verallgemeinerungen, Begründungen und Wertungen zu gelangen. Dabei wählen die Schülerinnen und Schüler selbstständig geeignete Arbeitstechniken und Verfahren zur Bewältigung der Aufgabe, wenden sie auf eine neue Problemstellung an und reflektieren das eigene Vorgehen.
Für alle Fächer gilt, dass die Aufgabenstellungen in schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen alle Anforderungsbereiche berücksichtigen müssen, der Anforderungsbereich II aber den Schwerpunkt bildet.
Fachspezifisch ist die Ausgestaltung der Anforderungsbereiche an den Kompetenzerwartungen des jeweiligen Kurstyps zu orientieren. Für die Aufgabenstellungen werden die für Abiturprüfungen geltenden Operatoren des Faches verwendet, die in einem für die Prüflinge nachvollziehbaren Zusammenhang mit den Anforderungsbereichen stehen.
Die Bewertung der Prüfungsleistung erfolgt jeweils auf einer zuvor festgelegten Grundlage, die im schriftlichen Abitur aus dem zentral vorgegebenen kriteriellen Bewertungsraster, im mündlichen Abitur aus dem im Fachprüfungsausschuss abgestimmten Erwartungshorizont besteht. Übergreifende Bewertungskriterien für die erbrachten Leistungen sind die Komplexität der Gegenstände, die sachliche Richtigkeit und die Schlüssigkeit der Aussagen, die Vielfalt der Gesichtspunkte und ihre jeweilige Bedeutsamkeit, die Differenziertheit des Verstehens und Darstellens, das Herstellen geeigneter Zusammenhänge, die Eigenständigkeit der Auseinandersetzung mit Sachverhalten und Problemstellungen, die argumentative Begründung eigener Urteile, Stellungnahmen und Wertungen, die Selbstständigkeit und Klarheit in Aufbau und Sprache, die Sicherheit im Umgang mit Fachsprache und -methoden sowie die Erfüllung standardsprachlicher Normen.
Hinsichtlich der einzelnen Prüfungsteile sind die folgenden Regelungen zu beachten:
Schriftliche Abiturprüfung
Die Aufgaben für die schriftliche Abiturprüfung werden landesweit zentral gestellt. Alle Aufgaben entsprechen den öffentlich zugänglichen Konstruktionsvorgaben und nutzen die fachspezifischen Operatoren. Beispiele für Abiturklausuren sind für die Schulen auf den Internetseiten des Schulministeriums abrufbar.
Für die schriftliche Abiturprüfung enthalten die aufgabenbezogenen Unterlagen für die Lehrkraft jeweils Hinweise zu Aufgabenart und zugelassenen Hilfsmitteln, die Aufgabenstellung, die Materialgrundlage, die Bezüge zum Kernlehrplan und zu den Abiturvorgaben, die Vorgaben für die Bewertung der Schülerleistungen sowie den Bewertungsbogen zur Prüfungsarbeit. Die Anforderungen an die zu erbringenden Klausurleistungen werden durch das zentral gestellte kriterielle Bewertungsraster definiert.
Die Bewertung erfolgt über Randkorrekturen sowie das ausgefüllte Bewertungsraster, mit dem die Gesamtleistung dokumentiert wird. Für die Berücksichtigung gehäufter Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit gelten die Regelungen aus Kapitel 3 analog auch für die schriftliche Abiturprüfung.
Aufgabenart I |
Typ A |
Analyse eines literarischen Textes (ggf. mit weiterführendem Schreibauftrag) |
Typ B |
Vergleichende Analyse literarischer Texte |
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Aufgabenart II |
Typ A |
Analyse eines Sachtextes (ggf. mit weiterführendem Schreibauftrag) |
Typ B |
Vergleichende Analyse von Sachtexten |
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Aufgabenart III |
Typ A |
Erörterung von Sachtexten |
Typ B |
Erörterung von Sachtexten mit Bezug auf einen literarischen Text |
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Aufgabenart IV |
Materialgestütztes Verfassen eines Textes mit fachspezifischem Bezug |
Der der Aufgabenart I zugrunde gelegte Analysebegriff zielt auf komplexe Interpretationsleistungen ab, bei denen beschreibende, deutende und wertende Aussagen im Umgang mit der Mehrdeutigkeit literarischer Texte schlüssig und nachvollziehbar miteinander verknüpft und aufeinander bezogen werden müssen.
In Aufgabenart II richtet sich die Analyse auf Sachtexte, deren pragmatischer Charakter tendenziell weniger Deutungsspielräume zulässt, in der Einschätzung ihrer Intentionalität, der auffindbaren kommunikativen Strategien und ihres situativen Kontextbezuges gleichwohl Interpretationsleistungen des analysierenden Rezipienten einschließt.
In Aufgabenart III fordert die Erörterung eigenständige Verstehens- und Argumentationsleistungen, wobei der zentrale Bezugspunkt die möglichst differenzierte Erfassung der Inhalte und der Argumentationsstruktur eines Sachtextes (ggf. verschiedener kurzer Sachtexte) bleibt. Aufgabentyp III B verknüpft diese Bezugsbasis zusätzlich mit Deutungswissen zu einem literarischen Werk.
Die in Aufgabenart IV geforderte materialgestützte Textproduktion basiert auf der Nutzung verschiedener Informationsquellen und zeichnet sich durch einen spezifischen Adressatenbezug aus. Sie kann einen überwiegend erklärenden (Sachverhalte klären) oder argumentativen Charakter (einen Standpunkt einnehmen) haben und enthält jeweils Elemente informierenden Schreibens. Thematisch muss eine Verknüpfung mit im Unterricht erarbeitetem Fachwissen möglich sein.
Mündliche Abiturprüfung
Die Aufgaben für die mündliche Abiturprüfung werden dezentral durch die Fachprüferin bzw. den Fachprüfer – im Einvernehmen mit dem jeweiligen Fachprüfungsausschuss – gestellt. Dabei handelt es sich um jeweils neue, begrenzte Aufgaben, die dem Prüfling einschließlich der ggf. notwendigen Texte und Materialien für den ersten Teil der mündlichen Abiturprüfung in schriftlicher Form vorgelegt werden. Die Aufgaben für die mündliche Abiturprüfung insgesamt sind so zu stellen, dass sie hinreichend breit angelegt sind und sich nicht ausschließlich auf den Unterricht eines Kurshalbjahres beschränken. Die Berücksichtigung aller Anforderungsbereiche soll eine Beurteilung ermöglichen, die das gesamte Notenspektrum umfasst. Auswahlmöglichkeiten für die Schülerin bzw. den Schüler bestehen nicht. Der Erwartungshorizont ist zuvor mit dem Fachprüfungsausschuss abzustimmen.
Der Prüfling soll in der Prüfung, die in der Regel mindestens 20, höchstens 30 Minuten dauert, in einem ersten Teil selbstständig die vorbereiteten Ergebnisse zur gestellten Aufgabe in zusammenhängendem Vortrag präsentieren. In einem zweiten Teil sollen vor allem größere fachliche und fachübergreifende Zusammenhänge in einem Prüfungsgespräch angesprochen werden. Es ist nicht zulässig, zusammenhanglose Einzelfragen aneinanderzureihen. Die beiden Prüfungsteile sollten in einer Überleitung gedanklich miteinander verknüpft werden.
Bei der Bewertung mündlicher Prüfungen liegen der im Fachprüfungsausschuss
abgestimmte Erwartungshorizont sowie die eingangs dargestellten übergreifenden
Kriterien zugrunde. Die Prüferin oder der Prüfer schlägt dem
Fachprüfungsausschuss eine Note, ggf. mit Tendenz, vor. Die Mitglieder
des Fachprüfungsausschusses stimmen über diesen Vorschlag ab.
Fachspezifisch gelten darüber hinaus die nachfolgenden Regelungen:
Für die Aufgabenstellung im ersten Prüfungsteil sollte ein kürzerer
Text vorgelegt werden. Der Text muss – auch wenn es sich um einen Textausschnitt
handelt – in seiner kommunikativen Struktur verständlich sein.
Im Fach Deutsch sind folgende Aufgabenarten für den ersten Prüfungsteil
vorgesehen:
Aufgabenart I |
Analyse eines literarischen Textes (unter Nennung von Bearbeitungsschwerpunkten) |
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Aufgabenart II |
Analyse eines Sachtextes (unter Nennung von Bearbeitungsschwerpunkten) |
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Aufgabenart III |
Typ A |
Erörterung eines Sachtextes |
Typ B |
Erörterung eines Sachtextes mit Bezug auf einen literarischen Text |
Besondere Lernleistung
Schülerinnen und Schüler können in die Gesamtqualifikation eine
besondere Lernleistung einbringen, die im Rahmen oder Umfang eines mindestens
zwei Halbjahre umfassenden Kurses erbracht wird. Als besondere Lernleistung
können ein umfassender Beitrag aus einem von den Ländern geförderten
Wettbewerb, die Ergebnisse des Projektkurses oder eines umfassenden fachlichen
oder fachübergreifenden Projektes gelten.
Die Absicht, eine besondere Lernleistung zu erbringen, muss spätestens
zu Beginn des zweiten Jahres der Qualifikationsphase bei der Schule angezeigt
werden. Die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheidet in Abstimmung mit
der Lehrkraft, die als Korrektor vorgesehen ist, ob die vorgesehene Arbeit als
besondere Lernleistung zugelassen werden kann. Die Arbeit ist spätestens
bis zur Zulassung zur Abiturprüfung abzugeben, nach den Maßstäben
und dem Verfahren für die Abiturprüfung zu korrigieren und zu bewerten.
Ein Rücktritt von der besonderen Lernleistung muss bis zur Entscheidung
über die Zulassung zur Abiturprüfung erfolgt sein.
In einem Kolloquium von in der Regel 30 Minuten, das im Zusammenhang mit der
Abiturprüfung nach Festlegung durch die Schulleitung stattfindet, stellt
der Prüfling vor einem Fachprüfungsausschuss die Ergebnisse der besonderen
Lernleistung dar, erläutert sie und antwortet auf Fragen. Die Endnote wird
aufgrund der insgesamt in der besonderen Lernleistung und im Kolloquium erbrachten
Leistungen gebildet; eine Gewichtung der Teilleistungen findet nicht statt.
Bei Arbeiten, an denen mehrere Schülerinnen und Schüler beteiligt
werden, muss die individuelle Schülerleistung erkennbar und bewertbar sein.