1. Aufgaben und Ziele des Faches
Fremdsprachenlernen mit dem Ziel individueller Mehrsprachigkeit gewinnt angesichts der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas und der Globalisierung stetig an Bedeutung. Der Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe vermittelt sprachlich-kommunikative und interkulturelle Kompetenzen, die eine wichtige Voraussetzung für angemessenes und erfolgreiches Handeln im privaten wie beruflichen Leben sind.
Türkisch ist offizielle Landessprache der Türkei und damit die Verkehrssprache von über 75 Millionen Menschen. Aufgrund dieser Tatsache, aber auch im Hinblick auf Perspektiven für eine erweiterte wirtschaftliche und politische Rolle der Türkei im europäischen Kontext, erhalten Schülerinnen und Schüler durch den Türkischunterricht in der gymnasialen Oberstufe eine Chance für eine Erweiterung ihrer beruflichen und privaten Lebensperspektive. Die im Türkischunterricht erworbenen sprachlichen und kulturellen Kenntnisse und Fähigkeiten sind in diesem Sinne besonders für die Vermittlung zwischen Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und unterschiedlicher kultureller Identität wichtig.
Den gesellschaftlichen Anforderungen an Studierfähigkeit, Berufsorientierung und vertiefte Allgemeinbildung entsprechend ist der Türkischunterricht in der gymnasialen Oberstufe dem Leitziel der interkulturellen Handlungsfähigkeit verpflichtet. Er ist wissenschafts- und berufspropädeutisch sowie persönlichkeitsbildend.
Das Türkische als gesprochene Sprache gehört zum Alltag in vielen Regionen Europas. Es ist eine agglutinierende Sprache, die auf Sprachstrukturen basiert, die in erheblicher Weise vom Deutschen und vom sonst üblichen Fremdsprachenangebot abweichen. Über den reflektierenden Umgang mit der Struktur und dem Gebrauch des Türkischen können die Schülerinnen und Schüler im Vergleich und im Kontrast mit dem Deutschen bzw. mit den anderen indogermanischen Sprachen vertiefende Einblicke in das Funktionieren von Sprache gewinnen.
Der Türkischunterricht setzt die fachpädagogische Arbeit der Sekundarstufe I fort: Er konzentriert sich auf den systematischen Aufbau interkulturellerkommunikativer Kompetenz. Im Türkischunterricht der Oberstufe vertiefen und erweitern die Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen in Bezug auf unterschiedliche Lebensbereiche und werden so vorbereitet auf die Anforderungen, die eine zunehmend international ausgerichtete Hochschulausbildung und eine globalisierte Lebens- und Arbeitswelt an sie richten. Der systematische Kompetenzaufbau und die Vernetzung unterschiedlicher Einzelkompetenzen erfolgt in der Auseinandersetzung mit komplexen, realitätsnahen und anwendungsorientierten Aufgabenstellungen. Dabei wird Türkisch in allen Phasen des Unterrichts als Arbeits- und Kommunikationssprache verwendet. Als Orientierung für das Fremdsprachenlernen dient der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen (GeR)[1]; er ermöglicht eine differenzierte Sicht auf die zu vermittelnden kommunikativen Kompetenzen.
Interkulturelle Handlungsfähigkeit zielt auf eine differenzierte Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der Lebenswirklichkeit, den gesellschaftlichen Strukturen und den kulturellen Zeugnissen der Türkei und türkischsprachiger Lebenswelt ab. Im Türkischunterricht der gymnasialen Oberstufe behandeln deshalb die Lerngruppen soziokulturell, individuell und global bedeutsame Themen und deren Darstellung in authentischen türkischsprachigen Texten und Medien. Durch den Umgang mit Texten und Medien der Zielkultur erhalten Schülerinnen und Schüler im Türkischunterricht der gymnasialen Oberstufe Einblicke in die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten der türkischen Kultur und der Sprachräume. Dabei stärkt der Türkischunterricht der gymnasialen Oberstufe im Einklang mit den anderen Fächern des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeldes kontinuierlich die Text- und Medienkompetenz. Die Auseinandersetzung mit anderen Lebenswirklichkeiten, sowohl in historisch erklärender als auch aus geschlechterdifferenzierender Perspektive, fördert die Bereitschaft zur Selbstreflexion und eröffnet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Distanz zu eigenen Haltungen und Einstellungen herzustellen und diese gegebenenfalls zu verändern.
Durch die Beschäftigung mit der literarisch-ästhetischen Dimension soll außerdem die Freude der Schülerinnen und Schüler an der türkischen Sprache, am Sprachenlernen und Sprachgebrauch vermittelt und ihre Motivation erhöht werden, sich auch außerhalb der Schule und über die Schulzeit hinaus neuen Spracherfahrungen zu stellen. Damit unterstützt der Türkischunterricht sie bei der Entwicklungindividueller Mehrsprachigkeitsprofile. Das geschieht auch, indem – wie bereits in der Sekundarstufe I angebahnt – der Sprachlernkompetenz (dilögrenimbilinci) besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse sowie Einstellungen und Haltungen, welche die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit (Fremd-)Sprachen erworben haben, sollen ihnen helfen, weitere Sprachen zu erlernen.
Das Bewusstsein, dass das Türkische in einer Vielzahl von Varietäten und Verwendungsformen gesprochen wird, und die Einsicht, dass es wie andere Sprachen in Struktur und Gebrauch – besonders in den Einwanderungsländern durch Sprachkontakt – einem ständigen Wandel unterliegt (Sprachbewusstheit/dilbilinci), setzen einen oberstufengemäßen Akzent im Bereich der Sprachbeherrschung und fördern die interkulturelle Handlungsfähigkeit.
Der Türkischunterricht der gymnasialen Oberstufe ist in besonderer Weise der individuellen Förderung verpflichtet. Dabei geht es darum, die Potenziale jedereinzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers zu erkennen, zu entwickeln, zu fördern und den Bildungsverlauf durch systematische individuelle Beratung und Unterstützung zu begleiten.
Dies korrespondiert im Türkischunterricht der gymnasialen Oberstufe mit dem Leitbild des aktiven kooperativen und selbstständigen Lernens.
In diesem Sinne bietet der Türkischunterricht vielfältige und anregungsreiche Lerngelegenheiten, in denen die Schülerinnen und Schüler ihr Können und Wissen in gut organisierter und vernetzter Weise erwerben, vertiefen und reflektieren sowie zunehmend mehr eigene Verantwortung für den Erwerb von Kompetenzen übernehmen können. Dazu tragen auch Vorhaben bei, die den Unterricht für das Umfeld der Schule und Möglichkeiten persönlichen grenzüberschreitenden Austausches öffnen, etwa zeitlich begrenzte Projektphasen sowie den Unterricht begleitende Vorhaben (z.B. Exkursionen, Studienfahrten, internationale Begegnungen, Korrespondenzprojekte, Teilnahme an Wettbewerben, Felduntersuchungen).
Innerhalb der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben trägt insbesondere auch der Türkischunterricht im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leistet er einen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.
Das Fach Türkisch wird in der gymnasialen Oberstufe als fortgeführte Fremdsprache und als neu einsetzende Fremdsprache unterrichtet.
Türkisch als fortgeführte Fremdsprache
Aufbauend auf dem am Ende der Sekundarstufe I erreichten Niveau erweitern und vertiefen die Schülerinnen und Schüler ihre fremdsprachlichen Kompetenzen im Türkischunterricht in der gymnasialen Oberstufe.
In der Einführungsphase treffen die Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Lerngelegenheiten, die sie auf die Anforderungen der Qualifikationsphase vorbereiten. Am Ende der Einführungsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B1+des GeR.
Die fortgeführte Fremdsprache Türkisch wird in der Qualifikationsphase als dreistündiger Grundkurs und als fünfstündiger Leistungskurs unterrichtet.Sowohl der dreistündige Grundkurs als auch der fünfstündige Leistungskurs verfolgen die oben genannten Aufgaben und Ziele des Faches jeweils in der gesamten Breite.
Im Grundkurs erwerben die Schülerinnen und Schüler eine verlässliche Basis interkultureller fremdsprachlicher Handlungskompetenz. Dies gilt gleichermaßen für den Leistungskurs. Darüber hinaus erwerben die Schülerinnen und Schüler im Leistungskurs die Kompetenzen in einer breiteren und tieferen Auseinandersetzung mit Texten und Medien sowie in einem höheren Maß an Selbstständigkeit.Am Ende der Qualifikationsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B2 der GeR.
Türkisch als neu einsetzende Fremdsprache
Das Fach Türkisch wird in der gymnasialen Oberstufe in einem vierstündigen Kurs unterrichtet, in dem die Schülerinnen und Schüler eine grundlegende interkulturelle fremdsprachliche Handlungskompetenz erwerben. Am Ende der Qualifikationsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B1 des GeR mit Anteilen von B2.
[1] Europarat – Rat für kulturelle Zusammenarbeit (2001), Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, hrsg. v. Goethe-Institut Inter Nationes u.a., Langenscheidt: Berlin u.a. Der Text ist abrufbar unter: http://www.goethe.de/referenzrahmen.