GK Q2, Unterrichtsvorhaben V: Mit dem Fahrstuhl durch die Gesellschaft? - Dimensionen, Trends, Theorien und Auswirkungen sozialer Ungleichheit
Fachdidaktische Idee:
Ausgehend von Wahrnehmungen und Erfahrungen der Studierenden werden Dimensionen und Indikatoren sozialer Ungleichheit analysiert. Modelle und Theorien zur Darstellung und Erklärung sozialer Ungleichheit und sozialer Entstrukturierung werden reflektiert und am Beispiel der Armutsproblematik Entwicklungen sozialer Ungleichheit in ihren Folgen und in ihrer politischen Kontroversität analysiert und diskutiert.
Nicht nur Konfrontation mit Ausgrenzung und Prekarisierung, sondern ebenso Erfahrungen von Ungleichheit aufgrund sozialer Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht sind Alltagsrealitäten der Studierenden, die diese nicht nur wahrnehmen, sondern zunehmend kritisch reflektieren und infrage stellen. Die Unterrichtsreihe thematisiert diese Erfahrungen, macht sie soziologischen Reflexionen zugänglich, indem Kriterien horizontaler und vertikaler Ungleichheit und sozialer Lagen überprüft und soziale Folgen untersucht werden. Ebenso analysieren die Studierenden empirische Ergebnisse zur Struktur sozialer Ungleichheit in Deutschland. Anschließend analysieren die Studierenden Modelle und Theorien zur sozialen Ungleichheit in Deutschland und beurteilen deren Aussagewert zur Unterstützung sozialwissenschaftlicher Analysen. In der Thematisierung aktueller Entwicklungen sozialer Ungleichheit als Ergebnis zunehmender Entstrukturierungsprozesse in der postindustriellen Gesellschaft greift die Unterrichtsreihe abschließend die aus der sozioökonomischen Modernisierung sich ergebenden Benachteiligungen und Ausgrenzungen auf, die sich aus unzureichenden ökonomischen, kulturellen oder sozialen Ressourcen ergeben.
Übergeordnete Kompetenzen:
Sachkompetenz - erläutern komplexere gesellschaftliche Strukturen und Prozesse (SK 2), - analysieren Erscheinungsformen, Ursachen und Auswirkungen verschiedener Formen von Ungleichheiten (SK 6). Methodenkompetenz - ermitteln fragen- und hypothesengeleitet Daten und Zusammenhänge durch empirische Methoden der Sozialwissenschaften und wenden statistische Verfahren an (MK 2), - werten fragegeleitet Daten und Datenerhebungen im Hinblick auf Datenquellen, Aussage- und Geltungsbereiche, Darstellungsarten, Trends, Korrelationen und Gesetzmäßigkeiten aus und überprüfen diese bezüglich ihrer Gültigkeit für die Ausgangsfrage (MK 3), - stellen sozialwissenschaftliche Probleme unter soziologischer Perspektive modellierend dar (MK 8), - setzen Methoden und Techniken zur Präsentation und Darstellung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse zur Unterstützung von sozialwissenschaftlichen Analysen und Argumentationen ein (MK 9), - ermitteln – auch vergleichend – Prämissen, Grundprinzipien, Konstruktion sowie Abstraktionsgrad und Reichweite soziologischer Modelle und Theorien und überprüfen diese auf ihren Erkenntniswert (MK 12), - analysieren soziologisch relevante Situationen und Texte im Hinblick auf die in ihnen wirksam werdenden Perspektiven und Interessenlagen sowie auf die Vernachlässigung alternativer Interessen und Perspektiven (MK 14), - identifizieren und überprüfen sozialwissenschaftliche Indikatoren im Hinblick auf ihre Validität (MK 16). |
Urteilskompetenz - erörtern exemplarisch die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung von gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen unter Kategorien der Funktionalität und Legitimität sowie ihres Verhältnisses zur Tradition (UK 4). Handlungskompetenz - entwerfen für diskursive, simulative und reale soziale Handlungssituationen zunehmend komplexe Handlungspläne und übernehmen fach-, situationsbezogen und adressatengerecht die zugehörigen Rollen (HK 2), - entwickeln aus der Analyse zunehmend komplexerer gesellschaftlicher Konflikte angemessene Lösungsstrategien und wenden diese an (HK 3). |
Inhaltsfelder: IF 6: Soziale Ungleichheit und soziale Sicherung IF 7: Soziologische Dimensionen der Kultur |
Inhaltliche Schwerpunkte: - Erscheinungsformen und Auswirkungen sozialer Ungleichheit, - Modelle und Theorien gesellschaftlicher Ungleichheit, - Soziale und kulturelle Teilhabe. |
Vorhabenbezogene Konkretisierung:
Thema / Problemfragen |
Fachdidaktische Ideen / Lernumgebung / Inhalte des Lern- und Arbeitsprozesses |
Diagnostik / Methoden der Lernevaluation |
Kompetenzen, zugleich Evaluationsindikatoren Die Studierenden … |
Materialbasis |
Sequenz 1: Was bedeutet soziale Ungleichheit? Dimensionen sozialer Ungleichheit und Begriffsdefinitionen |
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- Worin unterscheiden sich Menschen? Welche Unterschiede sind gesellschaftlich relevant? Welche sind gesellschaftlich bedingt? - Woran manifestiert sich soziale Ungleichheit? - Wie lassen sich die Unterschiede klassifizieren? |
- Abgleich von Vorstellungen der Studierenden zur sozialen Ungleichheit mit fachlich adäquat ausgewählten Fallbeschreibungen zur sozialen Wirklichkeit in Deutschland, - Unterscheidung von horizontalen und vertikalen Unterschieden, - Herleitung einer Begriffsdefinition sowie relevanter Dimensionen sozialer Ungleichheit wie formaler Bildungsgrad, Erwerbstätigkeit, berufliche Stellung Einkommen bzw. Vermögen, berufliches Prestige vor dem Hintergrund des Abgleichs. |
Diagnostik über: - Vorstellungen der Studierenden zu sozialen Ungleichheiten und angefertigte Bilder / Visualisierungen zur Leitfrage „Wie weit ist es von unten nach oben?“ Mögliche Diagnostikhypothesen: - individuelle (statt soziale) Faktoren als Determinanten sozialer Ungleichheit, - reduzierte Sicht auf Ungleichheit (etwa ausschließlich Einkommens- und Vermögensungleichheit) Lernevaluation über: - Unterrichtsbeiträge, Präsentation Visualisierungen. |
Konkretisierte Kompetenzen: - unterscheiden Dimensionen sozialer Ungleichheit und ihre Indikatoren (SK IF 6), - beurteilen die Reichweite und den Erklärungswert von Gesellschaftsbildern (UK IF 6). Übergeordnete Kompetenzen: - analysieren Erscheinungsformen, Ursachen und Auswirkungen verschiedener Formen von Ungleichheiten (SK 6), - identifizieren und überprüfen sozialwissenschaftliche Indikatoren im Hinblick auf ihre Validität (MK 16). |
Fallbeschreibungen zur sozialen Wirklichkeit in Deutschland (verfügbar in soziologischen Fachpublikationen). |
Sequenz 2: Müssen wir uns an mehr Ungleichheit gewöhnen? Dimensionen sozialer Ungleichheit im Rahmen des sozialen Wandels |
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- Wie haben sich die materiellen Lebensbedingungen in Deutschland entwickelt? - Wie werden ungleiche materielle Lebensbedingungen erfasst? - Wie haben sich Bildungs- und Erwerbschancen in Deutschland entwickelt? - Warum gibt es Armut in einer Wohlstandsgesellschaft wie Deutschland? - Wer ist in Deutschland von Armut betroffen? - Welche Lebensverhältnisse führen zu Armut? - Wie wird Armut definiert und gemessen? |
- Analysen zur Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland (evtl. im internationalen Vergleich), - Methoden der Datenerhebung und Auswertung, - Indikatoren der Dimensionen sozialer Ungleichheit (z.B. Begriffe, Maße zur Verteilung, wie Quantilsanteile, Lorenzkurve, Gini-Koeffizient in gewichteten Haushaltseinkommen), - arbeitsteilige Gruppenarbeit zu Materialien und Fragekomplexen, Internetrecherchen, - Analysen zur Entwicklung sozialer Ungleichheit in den Dimensionen Bildung und Erwerbstätigkeit anhand statistischen Materials, - Aufgreifen von Sichtweisen, Erfahrungen der Studierenden, - Konfrontation mit Expertenwissen oder Fallbeispielen zu Armutslagen und -ursachen, - Erarbeitung empirischer Ergebnisse zur Armutsproblematik, - Erarbeitung von Fachtexten zu Armutsdefinitionen und -messungen, zur Unterscheidung von Armutsbegriffen (Armutsgrenzen, relative und absolute Armut), - Analyse von Risikofaktoren für und Ursachen von Armut. |
Mögliche Diagnostikhypothesen: - Unsicherheiten in der Analyse statistischer Materialien, - Unsicherheiten in der Auswertung statistischer Materialien, Lernevaluation über: - variierende Aufgabenformate zur Analyse ausgewählter statistischer Daten zur Einkommens- und Vermögensverteilung, - die Dokumentation und Präsentation der Analyseergebnisse, Mögliche Diagnostikhypothesen: - diffuse Sichtweisen, Vorurteile, z.B. individuelle Dispositionen als Determinanten von Armut und Ausgrenzung, - Lernevaluation: - Gesprächsbeiträge, Ergebnisdarstellungen in Form von Präsentationen, Kurzreferaten, Schaubildern zur Armutsproblematik. |
Konkretisierte Kompetenzen: - unterscheiden Dimensionen sozialer Ungleichheit und ihre Indikatoren (SK IF 6), - analysieren mit Hilfe des Erklärungskonzepts des kulturellen Kapitals und anderer Kapitalienbegriffe fallbeispielhaft Möglichkeiten sozialer und kultureller Teilhabe (SK IF 7), - bewerten gesellschaftliche Entstrukturierungsvorgänge und Prekarisierungsprozesse in ihrer Auswirkung auf die Betroffenen und ihrer Bedeutung für den sozialen und politischen Zusammenhalt (UK IF 6), - beurteilen unterschiedliche Zugangschancen zu Ressourcen und deren Legitimation (UK IF 6), - bewerten den Aufbau und Einsatz sozialen, ökonomischen, symbolischen und kulturellen Kapitals für die eigene und die gesellschaftliche Entwicklung (UK IF 7). Übergeordnete Kompetenzen: - ermitteln fragen- und hypothesengeleitet Daten und Zusammenhänge durch empirische Methoden der Sozialwissenschaften und wenden statistische Verfahren an (MK 2), - werten fragegeleitet Daten und Datenerhebungen im Hinblick auf Datenquellen, Aussage- und Geltungsbereiche, Darstellungsarten, Trends, Korrelationen und Gesetzmäßigkeiten aus und überprüfen diese bezüglich ihrer Gültigkeit für die Ausgangsfrage (MK 3), - stellen sozialwissenschaftliche Probleme unter soziologischer Perspektive modellierend dar (MK 8), - setzen Methoden und Techniken zur Präsentation und Darstellung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse zur Unterstützung von sozialwissenschaftlichen Analysen und Argumentationen ein (MK 9), - identifizieren und überprüfen sozialwissenschaftliche Indikatoren im Hinblick auf ihre Validität (MK 16). |
Statistisches Material zur Einkommens- und Vermögens-verteilung, zu Bildungs- und Erwerbschancen in Deutschland (z.B. Destatis, Statista, bpb) Expertenbefragung, Filme, mediale Fallbeschreibungen zu Armutslagen in Deutschland, Statistisches Material zur Armutsentwicklung, z.B. Armuts- und Reichtumsbericht der BR, Materialien der Bundeszentrale für politische Bildung, soz. Fachliteratur zu Armutslagen, -definitionen und -ursachen. |
Sequenz 3: Neue Klassengesellschaft oder Entstrukturierung sozialer Ungleichheit in Deutschland? – Modelle und Theorien sozialer Ungleichheit |
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- Welche Formen sozialer Ungleichheit zeigt die heutige Gesellschaft? - Wie werden Strukturen sozialer Ungleichheit dargestellt? - Wie haben sich die Strukturen sozialer Ungleichheit historisch entwickelt? - Welchen Erklärungswert liefern Modelle und Theorien? - Wie verändern sich Strukturen sozialer Ungleichheit in Deutschland im Rahmen der sozioökonomischen Modernisierung? - Was bedeutet "Modernisierung" bzw. "moderne Gesellschaft"? - Führt die Individualisierung der Gesellschaft zur Entstrukturierung sozialer Ungleichheit? - Abschied von Klasse und Schicht? Die Diskussion zur Zukunft sozialer Strukturen in Deutschland. |
- Annäherung an die Problematik durch Aufgreifen der Sicht der Studierenden und durch Visualisierungen, - Aufgreifen von Karikaturen, Auszüge aus soz. Fachliteratur zum Thema, - Erarbeitung ausgewählter Modelle und entsprechender Fachliteratur zu Ungleichheitsstrukturen in Deutschland und zu ihrer Entwicklung (Schichtungsmodell versus Klassen- bzw. Lagenmodell), - Annäherung durch Bilder, Dokumentationen zum Wandel von Ungleichheitsstrukturen, - Erarbeitung ausgewählter Modelle zu neuen Strukturen sozialer Ungleichheit in Deutschland (vertikale Modelle sozialer Ungleichheit versus horizontale Modelle) und zu Entstrukturierungsprozessen im Rahmen des sozialen Wandels (Individualisierungsthese - Desintegrationshypothese) anhand Fachliteratur in arbeitsteiliger Gruppenarbeit, - Analyse ausgewählter Positionen zur Zukunft unserer Gesellschaft im Rahmen der Auflösung industriegesellschaftlicher Strukturen, - Vorbereitung eines Streitgesprächs zur Fragestellung „Neue Klassengesellschaft oder Entstrukturierung sozialer Ungleichheit in Deutschland?“ |
Diagnostik durch: - Aufgreifen der Sichtweisen der Studierenden, - Auseinandersetzung mit Karikaturen, Fallbeispielen. Lernevaluation über: - Unterrichtsbeiträge, - Präsentation von Arbeitsergebnisse und Visualisierungen, - Teilnahme und kritische Begleitung eines Streitgesprächs. |
Konkretisierte Kompetenzen: - unterscheiden Dimensionen sozialer Ungleichheit und ihre Indikatoren (SK IF 6), - erläutern Grundzüge und Kriterien von Modellen vertikaler und horizontaler Ungleichheit (SK IF 6), - erläutern Grundzüge und Kriterien von Modellen und Theorien sozialer Entstrukturierung (SK IF 6), - analysieren mit Hilfe des Erklärungskonzepts des kulturellen Kapitals und anderer Kapitalienbegriffe fallbeispielhaft Möglichkeiten sozialer und kultureller Teilhabe (SK IF 7), - beurteilen die Reichweite und den Erklärungswert von Gesellschaftsbildern (UK IF 6), - beurteilen den Erklärungswert und die Reichweite von Modellen und Theorien sozialer Ungleichheit (UK IF 6), - bewerten gesellschaftliche Entstrukturierungsvorgänge und Prekarisierungsprozesse in ihrer Auswirkung auf die Betroffenen und ihrer Bedeutung für den sozialen und politischen Zusammenhalt (UK IF 6), - beurteilen unterschiedliche Zugangschancen zu Ressourcen und deren Legitimation (UK IF 6), - bewerten den Aufbau und Einsatz sozialen, ökonomischen, symbolischen und kulturellen Kapitals für die eigene und die gesellschaftliche Entwicklung (UK IF7). Übergeordnete Kompetenzen: - stellen sozialwissenschaftliche Probleme unter soziologischer Perspektive modellierend dar (MK 8), - setzen Methoden und Techniken zur Präsentation und Darstellung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse zur Unterstützung von sozialwissenschaftlichen Analysen und Argumentationen ein (MK 9), - ermitteln – auch vergleichend – Prämissen, Grundprinzipien, Konstruktion sowie Abstraktionsgrad und Reichweite soziologischer Modelle und Theorien und überprüfen diese auf ihren Erkenntniswert (MK 12), - analysieren soziologisch relevante Situationen und Texte im Hinblick auf die in ihnen wirksam werdenden Perspektiven und Interessenlagen sowie auf die Vernachlässigung alternativer Interessen und Perspektiven (MK 14), - entwickeln aus der Analyse zunehmend komplexerer gesellschaftlicher Konflikte angemessene Lösungsstrategien und wenden diese an (HK 3). |
ausgewählte Fachliteratur, Materialien der Bundeszentrale für pol. Bildung, kontroverse sozialwissenschaftliche Analysen zur Entwicklung sozialer Ungleichheit in Deutschland und zu den sozioökonomischen Ursachen, Studien von Verbänden und Stiftungen. |
Zeitbedarf: 20 Stunden