Lernförderung
Alle Schülerinnen und Schüler haben besondere Bedürfnisse bezüglich der Gestaltung von Lernprozessen.
Online-Unterstützungsportal zum Referenzrahmen Schulqualität NRW
Im Online-Unterstützungsportal zum Referenzrahmen Schulqualität NRW befinden sich unter der Dimension „2.8 – Transparenz, Klarheit und Strukturiertheit“ unter den Kriterien „2.8.1 - Die unterrichtlichen Prozesse und Inhalte sind für die Schülerinnen und Schüler transparent und klarstrukturiert“ und „2.8.2 – Instruktionen und Aufgabenstellungen sind klar und in Umfang und Komplexität lerngruppenadäquat“ aufschließende Aussagen, die zur lernförderlichen Gestaltung von Unterrichtsprozessen Impulse bieten.
Die Dimension „2.6 – Schülerorientierung und Umgang mit Heterogenität“ bietet mit den dort aufgelisteten Kriterien und deren aufschließenden Aussagen konkrete Impulse zur Planung und Gestaltung förderlicher Lehr- und Lernprozesse unter Berücksichtigung einer breiten Heterogenität an Lernvoraussetzungen. Zur Berücksichtigung der individuellen Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler bietet die Dimension „2.2 – Kompetenzorientierung“ mit den darunter aufgeführten Kriterien und zugeordneten aufschließenden Aussagen wichtige Impulse.
Weiterführende Links auf Projekte, Portale und Praxisbeispiele liefern anschauliche Beispiele. Literaturhinweise runden das Angebot ab.
Das Modell der guten Informationsverarbeitung besitzt für die Darstellung von Lernprozessen allgemeine Gültigkeit. Eine starke Ausprägung aller Komponenten, die dieses Modell beschreibt, trägt zu einem erfolgreichen Lernprozess bei. Gleichzeitig bietet das Modell der guten Informationsverarbeitung die Möglichkeit, besondere Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit Lernbeeinträchtigungen zu beschreiben. Es bietet Ansatzpunkte für eine individuelle Diagnostik der Lernvoraussetzungen und ermöglicht die Ableitung von grundlegenden Prinzipien ressourcenorientierter Lernförderung, die zur Gestaltung einer förderlichen Lernumgebung genutzt werden können (Kuhl 2016, S. 55f.). Dieses Modell eignet sich auch als Referenzmodell zur Erfassung der kognitiven Fähigkeiten und Prozesse von Menschen mit einer geistigen Behinderung (Kuhl 2011, S. 10).
Komponenten des Modells der guten Informationsverarbeitung
Auch Ellinger (2017, S. 204) greift dieses Modell auf und beschreibt anhand der vier Komponenten des Modells einen gelungenen Lernprozess:
1. Lernstrategien und metakognitive Regulation- das eigene Lernverhalten wird geplant
- der Lerner ist orientiert, wann er was, wie und warum tut
- es stehen Lernstrategien zur Verfügung, die fortlaufend verbessert und automatisiert werden
- aus verschiedenen Lebensbereichen steht Wissen und Erfahrung zur Verfügung an das der Lerner im aktuellen Lernprozess anknüpfen kann
- der Lerner glaubt an seine Lern- und Leistungsfähigkeit und traut sich etwas zu („Ich schaffe das…“)
- neue Herausforderungen zum Lernen werden gesucht
- der eigene Lernprozess wird reflektiert und Fehler analysiert
- der Lerner zeigt selektive Aufmerksamkeit und kann diese halten
- das Kurzzeitgedächtnis ist gut ausgeprägt bzw. stehen Strategien zur Verfügung diesbezügliche Mängel auszugleichen
Zur Förderung eines gelungenen Lernprozesses leistet die angepasste Komplexität des Lernmaterials einen wichtigen Beitrag. Die aus der Komplexität des Lernmaterials resultierende kognitive Belastung wird in der cognitive load theory beschrieben. (vgl. Ellinger 2017, S. 206) Geringe Arbeitsgedächtnisressourcen können kompensiert werden, indem Lernmaterialien mit möglichst geringer kognitiver Belastung verwendet werden. (Kuhl, 2016, S. 54) Die im Weiteren dargestellten Prinzipien zur Lernförderung geben praktische Impulse zur entsprechenden Gestaltung von Lernmaterialien.
Das Universal Design for Learning bietet auf der Grundlage der aktuellen Lernforschung Vorschläge zur Gestaltung flexibler förderlicher Lernumgebungen für alle Lerner, so dass Barrieren für das Lernen abgebaut werden können und das eigentliche Lernen im Mittelpunkt steht. Die Prinzipien zur Lernförderung, wie sie bei verschiedenen Autoren zu finden sind (Werning 2015, S. 85; Kuhl 2016, S. 55 f, Ritter, M., Florian, M. & Lewandowska, Z. 2016, S. 51; Leuders & Prediger 2016, S. 146 f; Uhl & Topalovic 2015; MSW 2016) werden hier entsprechend der Struktur des Universal Design for Learning dargestellt.
Diese Zusammenstellung ist nicht als formalisierte Checkliste für den Unterricht zu verstehen, sondern bietet Möglichkeiten zu differenzierten pädagogischen Interaktionen zur Förderung individueller Lernprozesse.
Vorhalten verschiedenster Repräsentationsformen um flexible Zugänge zu den Unterrichtsinhalten zu ermöglichen
- Sprachliche Formulierungen wählen, die für den Adressaten verständlich sind und möglichst selbstständig von ihm zu erfassen sind
- Arbeiten mit strukturiertem Material ermöglichen (wiedererkennbare Formate bei Aufgabenstellungen verwenden…)
- handlungsorientierte Angebote schaffen (Einsatz von Anschauungsmaterialien, die fachliches Verstehen fördern z.B. Zehner-System-Material in der Mathematik)
- Visualisierungen können das Verständnis von Aufgaben und Texten unterstützen (z.B. Fettmarkierungen, Unterstreichungen, Bilder, Symbole u.a. aus der Unterstützten Kommunikation)
- klare Instruktionen geben (kurze, überschaubare Anweisungen, die sich eventuell zunächst nur auf eine Teilaufgabe beziehen und sukzessive mit dem Arbeitsfortschritt erweitert werden, Visualisierungen und körpersprachliche Mittel können unterstützend wirken…)
- einzelne Handlungsanweisungen durch Hauptsätze zentral herausstellen – verständliche Operatoren wählen (Visualisierungen zur Unterstützung verwenden) zusammengehörige Informationen überschaubar darstellen – vertraute Formate durchgängig einsetzen (z.B. durch den Einsatz Leichter Sprache)
- Anpassung der Schwierigkeit der Aufgaben, so dass Bearbeitung und Lösung kognitiv herausfordernd sind, aber im Bereich der proximalen Entwicklung liegen
Den Erwerb von Lernstrategien unterstützen: Anbieten verschiedener Möglichkeiten zur Verarbeitung von Informationen und zur Präsentation des eigenen Wissens durch die Lernenden
- Lösungswege aufzeigen, die nachvollzogen werden können – Beispiele wählen, die einen Transfer ermöglichen
- nützliche Strategien vermitteln, auf diese regelmäßig verweisen bzw. die Verwendung dieser absichern
- Methodenkompetenz fördern
- Tutorielles Lernen / Peer-Tutoring
- Einsatz digitaler Medien zur Informationsgewinnung (z.B. Texte, Arbeitsanweisungen, die vorgelesen werden: Einsatz von Anybookreader, computergestützten Lernprogrammen…)
- Einsatz digitaler Medien zur Darstellung von Arbeitsergebnissen (Einsatz von Anybookreader, Diktiergerät, Handykamera…)
Verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stellen, sich engagiert in den Unterricht einzubringen: flexible Möglichkeiten zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Motivation anbieten (Warum lerne ich?)
- auf das Vorwissen und die kognitiven Ressourcen abgestimmte Anforderungen (Leitfrage: Was ist die nächste Zone der Entwicklung?)
- geschlossene Aufgaben können Überforderung vermeiden (schrittweise Öffnung, um zur Eigenverantwortung im Lernprozess führen)
- Zerlegung von Aufgaben in Teilschritte
- Ziele und Erfolgskriterien klar kommunizieren und in nachvollziehbare Schritte zerlegen (schriftliche Fixierungen ergänzen mündliche)
- Kreatives / angeleitetes Üben und Wiederholen sicherstellen: Aufbau und Automatisierung inhaltsspezifischen Basiswissens (vgl. Kuhl 2016) - selbstständige Anwendung des erworbenen Wissens und Könnens ermöglichen
- regelmäßige Leistungskontrolle, um die individuellen Lernprozesse möglichst passgenau gestalten zu können
- häufiges informationshaltiges Feedback - Möglichkeiten zur Reflexion des eigenen Lernprozesses schaffen; Gespräche mit Schülerinnen und Schülern führen
- Möglichkeiten der Interaktion in kleinen Gruppen ermöglichen
- Möglichkeiten zur produktiven Einzelarbeit bei sozial-emotionaler Überlastung eröffnen
- strukturierte Formen kooperativen Lernens (klare Abläufe; Methodenkompetenz sichern)
Literatur und Links
- Ellinger, Stephan (2017): Aufmerksamkeitsförderung durch Advance organizer. in: Einhellinger, Christine; Ellinger, Stephan u.a. (Hrsg.): Studienbuch Lernbeeinträchtigung. Band 2: Handlungsfelder und Förderansätze. Oberhausen: Athena. S. 197-218.
- Hall, Tracey E. u.a. (2012): Universal Design for Learning in the classroom. New York und London: The Guilford Press.
- KMK (2011): Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen. Online verfügbar: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.pdf [06.06.2017]
- Kuhl, Jan u.a. (Hrsg.) (2016): Evidenzbasierte Diagnostik und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit intellektueller Beeinträchtigung. Bern: Hogrefe.
- Kuhl, Jan (2011): Konstruktionsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. (Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie des Fachbereiches Psychologie und Sportwissenschaft der Justus?Liebig?Universität Gießen)online verfügbar unter: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2011/8196/pdf/KuhlJan_2011_05_05.pdf [18.07.2017]
- Leuders, Timo und Prediger, Susanne (2016): Flexibel differenzieren und fokussiert fördern im Mathematikunterricht. Berlin: Cornelsen.
- MSW (2016): Sonderpädagogische Förderschwerpunkte in NRW. auch online abrufbar unter:https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Inklusion/Kontext/06-Sonderpaedagogische_Schwerpunkte_in_NRW/index.html[14.07.2017]
- Ritter, Markus; Florian, Merle; Lewandowska, Zuzanna ( 2015): Materialien für den Englischunterricht. Münster: Waxmann
- Schlüter, Ann-Kathrin u.a. (2016): Unterrichtsgestaltung in Klassen des Gemeinsamen Lernens. Universal Design for Learning. in: Sonderpädagogische Förderung heute, Heft 3, S. 270-285.
- Uhl, Benjamin und Topalovic, Elvira (2015): Lernaufgaben im inklusiven Sprachunterricht. in: Grundschulunterricht Deutsch, Heft 01, S. 15-18.
- Werning, Rolf und Avci-Werning, Meltem (2015): Herausforderung Inklusion in Schule und Unterricht. Seelze: Klett-Kallmeyer.