1 Aufgaben und Ziele
1.1 Der Beitrag des Faches Deutsch zum Bildungs- und Erziehungsauftrag
Sprache hat grundlegende Bedeutung für die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung der Kinder. Aufgabe des Deutschunterrichts in der Grundschule ist es, den Schülerinnen und Schülern eine grundlegende sprachliche Bildung zu vermitteln, damit sie in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen handlungsfähig sind. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist für alle Kinder Grundlage für ihren Schulerfolg, denn Sprache ist in allen Fächern Medium des Lernens (KMK Bildungsstandards Deutsch).
Ziel ist es, Kinder zum bewussten Sprachhandeln zu ermutigen und damit die Freude am selbstständigen Umgang mit Sprache zu wecken und zu steigern. Der Deutschunterricht erweitert die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die alltägliche Verständigung, das Erlernen des Lesens und Schreibens, die sprachliche Kreativität und Ausdrucksfähigkeit, das soziale und demokratische Handeln sowie in Bezug auf den reflektierenden Umgang mit Sprache und eine sinnvolle Mediennutzung. Der Deutschunterricht fördert zusammen mit dem Unterricht in den anderen Fächern die sprachlichen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes so umfassend wie möglich.
Im Deutschunterricht erleben Schülerinnen und Schüler Lesen und Schreiben als persönlichen Gewinn. Sie erfahren Freude an sprachlicher Gestaltung und sprachlichem Spiel, entwickeln ihr sprachliches Selbstvertrauen weiter und übernehmen Verantwortung im Gebrauch der deutschen Sprache. Leitidee des Deutschunterrichts ist die Entwicklung einer Erzähl- und Gesprächskultur und einer Lese- und Schreibkultur.
1.2 Lernen und Lehren
Die unterschiedlichen Spracherfahrungen und die vorhandenen sprachlichen Kompetenzen der Kinder sind die Ansatzpunkte für die weitere systematische Sprachentwicklung und die individuelle Förderung. Mit Hilfe von Lernstandsdiagnosen erheben die Lehrerinnen und Lehrer die Sprachstände, beobachten die Lernentwicklung und evaluieren die Wirksamkeit der Unterrichtsarrangements und der Fördermaßnahmen.
Sprachliches Lernen der Kinder, insbesondere Lesen und Schreibenlernen, bedarf herausfordernder, bedeutsamer und lebensnaher Situationen. Anregende Gesprächs- und Erzählanlässe sowie Situationen, in denen Schülerinnen und Schüler Vorträge und Präsentationen gestalten, sind Teil des Unterrichts. In verlässlichen Lese- und Schreibzeiten erhalten sie Gelegenheit zum selbstvergessenen Lesen und zum freien Schreiben. Beim Schriftspracherwerb wird das Zusammenspiel von Lesen und Schreiben didaktisch genutzt.
Kinder lernen ihre Sprech-, Lese- und Schreibstrategien zunehmend bewusst anzuwenden, indem sie Sprache und das Sprachhandeln selbst zum Gegenstand des Nachdenkens machen.
Zur Festigung der Sprachhandlungskompetenzen dienen Lernformen des individuellen Übens sowie Formen des systematisch reflektierenden Lernens.
Damit Kinder sich sprachlich weiterentwickeln können, muss ein anregendes und akzeptierendes soziales Miteinander in gegenseitiger Wertschätzung hergestellt werden, in dem kooperative Lernformen ihren festen Platz haben. Das positive Vorbild der Lehrerinnen und Lehrer im sprachlichen und sozialen Handeln ist eine wesentliche Voraussetzung dafür.
Wichtige Inhaltsfelder des integrativen und fächerübergreifend angelegten Deutschunterrichts sind die Alltagserfahrungen der Kinder, bisherige und neue Sacherfahrungen, ein fantasievoller Umgang mit Sprache sowie kulturelle Traditionen und die Entwicklung einer kulturellen Praxis in der Schule und in der Klasse. Unter dem Aspekt interkultureller Erziehung werden dazu auch Sprachen und literarische Traditionen anderer Länder einbezogen. Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, erfahren im Deutschunterricht besondere Unterstützung beim Lernen. Ihre kulturellen Erfahrungen und sprachlichen Kompetenzen werden als eine Bereicherung des Deutschunterrichts aufgegriffen und – ebenso wie der Vergleich mit der englischen Sprache – als Anlass zur vergleichenden Sprachbetrachtung genutzt.
Deutsch als Zweitsprache
Sprachliche Schwierigkeiten von Kindern, deren Familiensprache nicht Deutsch ist, bleiben oft zunächst verdeckt. Häufig haben sie für die mündliche Alltagskommunikation hinreichende Fertigkeiten entwickelt und können sich wirkungsvoll verständigen. Erst wenn sie mit den Anforderungen der schriftlichen Kommunikation an sprachliche Ausarbeitung und sprachliche Richtigkeit konfrontiert sind, zeigen sich Einschränkungen im Wortschatz, eine Begrenztheit der verfügbaren grammatischen Muster und spezifische Fehler.
Ein eingeschränkter Wortschatz ist oft das Ergebnis von eingeschränkten Lebenserfahrungen der Kinder. Begrenztes Sprachvermögen beruht dann auf eingeschränktem Weltverständnis. Nur wenn die Fähigkeiten der Kinder in der Familiensprache nachweislich besser entwickelt sind, lässt sich davon ausgehen, dass die Inhalte hinter den Wörtern bekannt sind und den Kindern nur die deutschen Äquivalente fehlen. Manche Kinder müssen aber mit den deutschen Wörtern auch gleichzeitig die Inhalte lernen, die für viele andere Kinder alltägliche Erfahrungen sind. Darüber hinaus lernen sie wie die anderen Kinder auch in der Schule neue Sachverhalte und Wörter kennen.
Die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten deshalb am Wortschatz und -verständnis der Kinder mit anderer Familiensprache, indem sie
- das Verständnis der Wörter in ihren Kontexten gezielt anbahnen und sichern,
- die Wörter sammeln, rechtschriftlich sichern und in Listen, Plakaten, Karteien o. Ä. aufbewahren und angemessen wiederholen,
- die Wörter mit elementaren grammatischen Kennzeichnungen versehen, wie Wortart, Geschlecht, Pluralbildung, abweichende Formen,
- die Beziehungen zwischen den Wörtern deutlich machen, z. B. Wortfamilien, Ober- und Unterbegriffe, häufige Wortzusammensetzungen und gebräuchliche Wendungen.
Ein begrenztes Repertoire an grammatischen Mustern wirkt sich gleichermaßen im rezeptiven Sprachverständnis wie im aktiven Sprachgebrauch aus. Problembereiche sind Konstruktionen mit Genitiven, Passivkonstruktionen, Partizipialkonstruktionen, Nebensätze, erweiterte Satzglieder o. Ä.
Die Lehrerinnen und Lehrer erweitern die Fähigkeiten der Kinder hier, indem sie
- Muster und Konstruktionen in Verwendungszusammenhängen herausarbeiten und einüben,
- Muster und Konstruktionen verdeutlichen, z. B. durch Auflösen und neues Zusammensetzen,
- Muster und Konstruktionen vereinfachen, umformen und erweitern.
Soweit von spezifischen Fehlern gesprochen werden kann, die bei Kindern mit anderer Familiensprache vermehrt auftreten, sind diese einerseits auf Besonderheiten des Deutschen sowie andererseits auf Interferenzen zwischen dem Deutschen und der jeweiligen Familiensprache zurückzuführen.
Spezifische Schwierigkeiten des Deutschen sind z. B.:
- die Vielzahl von Möglichkeiten, den Plural von Nomen zu bilden
- die verschiedenen Deklinationstypen und ihre jeweiligen Endungen; ein besonderes Problemfeld ist hier die grammatische Kongruenz zwischen Artikeln, Adjektiven und Nomen
- die unregelmäßigen Verben
- die unterschiedliche Perfektbildung mit „haben“ und „sein“
- der Satzrahmen im Deutschen, der durch das zwei- oder mehrteilige Prädikat gebildet wird
- die von der Satzart abhängige Wortstellung mit der Zweitstellung, Spitzenstellung oder Endstellung der Personalform des Verbs
- die Vielzahl bedeutungsverändernder Morpheme (Vorsilben, Nachsilben)
- die Bildung und Bedeutung substantivischer Zusammensetzungen
Die strukturellen Unterschiede zwischen dem Deutschen und den Familiensprachen der Kinder führen als sog. spezifische Interferenzen zu objektiven Lernschwierigkeiten für die Kinder mit anderer Familiensprache. Sprachvergleichende Betrachtungen und Darstellungen können hier das Verständnis und die Bearbeitung manchmal scheinbar unerklärlicher Fehler erleichtern. Oft helfen auch Kontakt und Kooperation mit den Unterrichtenden für den Muttersprachlichen Unterricht.
Grundsätzlich ist für jedes Kind mit anderer Familiensprache unter Einbeziehung aller Fächer ein individueller Förderplan zu entwickeln, durchzuführen und regelmäßig zu überprüfen. Nach Möglichkeit sollen die Eltern einbezogen werden.
Ein spezifischer Förderunterricht ist erforderlich, wenn Kinder in solchen sprachlichen Bereichen Probleme haben, die den deutschen Kindern in der Regel keine Schwierigkeiten machen.
1.3 Orientierung an Kompetenzen
Der Lehrplan für das Fach Deutsch benennt in Kapitel 2 verbindliche Kompetenzbereiche und Schwerpunkte und ordnet ihnen in Kapitel 3 Kompetenzerwartungen zu.
Diese legen auf der Ebene der Sach- und Methodenkompetenz verbindlich fest, welche Leistungen von den Schülerinnen und Schülern am Ende der Schuleingangsphase und am Ende der Klasse 4 im Fach Deutsch erwartet werden. Sie weisen die anzustrebenden Ziele aus und geben Orientierung für die individuelle Förderung. Die Kompetenzerwartungen konzentrieren sich auf zentrale fachliche Zielsetzungen des Deutschunterrichts.
Diese Orientierung an Kompetenzen bedeutet, dass der Blick auf die Lernergebnisse gelenkt, das Lernen auf die Bewältigung von Anforderungen ausgerichtet und als kumulativer Prozess organisiert wird.
Schülerinnen und Schüler haben fachbezogene Kompetenzen ausgebildet,
- wenn sie zur Bewältigung einer Situation vorhandene Fähigkeiten nutzen, dabei auf vorhandenes Wissen zurückgreifen und sich benötigtes Wissen beschaffen,
- wenn sie die zentralen Fragestellungen eines Lerngebietes verstanden haben und angemessene Lösungswege wählen,
- wenn sie bei ihren Handlungen auf verfügbare Fertigkeiten zurückgreifen und ihre bisher gesammelten Erfahrungen in ihre Handlungen mit einbeziehen.