1. Aufgaben und Ziele des Faches
Der Wahlpflichtbereich nimmt an der Realschule eine bedeutende Stellung ein. Er bietet den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit zu individuellen Schwerpunktsetzungen und ermöglicht den Schulen eine spezifische Profilbildung. Darüber hinaus unterstützt der Unterricht im Wahlpflichtfach durch seine praktischen Anteile die berufliche Orientierung der Schülerinnen und Schüler. Das Wahlpflichtfach besitzt in Bezug auf die schriftlichen Lernerfolgsüberprüfungen sowie die Bestimmungen zum Erwerb von Schulabschlüssen die gleiche Bedeutung wie die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch.
Die Fächer Kunst, Musik und Textilgestaltung bilden den künstlerischen Bereich der Realschule. Sie leisten innerhalb des Fächerkanons der Sekundarstufe I einen wesentlichen Beitrag zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Im Zentrum dieser Fächer stehen die Gestaltung, Wahrnehmung und Reflexion der künstlerisch-ästhetischen Vielgestaltigkeit von Kultur und Lebenswirklichkeit.
Das besondere Lern- und Erfahrungsfeld im Fach Kunst ist die Welt der Bilder, die die visuelle Kultur ausmacht, die gesamte sinnlich erfahrbare, ästhetisch gestaltete und primär visuell vermittelte Umwelt. In der umfassenden Präsenz, Vielgestaltigkeit und Verfügbarkeit von Bildern hat das Fach Kunst die zentrale Aufgabe, das Ausdrucks-, Wahrnehmungs- und Reflexionsvermögen der Schülerinnen und Schüler zu erweitern und gestalterisches Denken und Handeln auszubilden. Im Fach Kunst kann daher alles zum Lerngegenstand werden, was auf visuelles und haptisches Wahrnehmen hin erdacht und gemacht ist: Malerei, Zeichnung, Plastik/Skulptur, Installation, Architektur, Designobjekt, Fotografie, Film, Aktionskunst und vieles mehr. Als Überbegriff, der all diese Erscheinungsformen umfasst, wird hier der Begriff „Bild“ gesetzt.
Das oberste Leitziel des Kunstunterrichts ist dementsprechend die Ausbildung von Bildkompetenz. Diese ist gleichbedeutend mit der Entwicklung einer Handlungsfähigkeit in Bezug auf Bilder. Die dazu notwendigen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse und Einstellungen werden durch die Betrachtung und Herstellung von Bildern sowie das Kommunizieren über Bilder erreicht.
In einer zunehmend medialen und virtuell vermittelten Wirklichkeit gewinnt die Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit eine stets bedeutender werdende Rolle. Sie zielt auf die Fähigkeit, sich durch das Verständnis von Bildsprache und der Wirkung und Funktionen von Bildern in unserer heutigen Welt aktiv zurechtzufinden.
Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen durch die Dominanz des Bildes und flüchtige Rezeptionsformen geprägt sind. Die Voraussetzung für den Erwerb von Bildkompetenz ist, dass Bilder nicht nur passiv konsumiert, sondern in ihrer Künstlichkeit und Gestaltetheit gesehen, in ihren symbolischen Funktionen gedeutet und in ihre kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge eingeordnet werden können. Es ist daher Aufgabe des Kunstunterrichts, auch multimediale Formen der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit aktiv erfahren und kreativ erproben zu lassen. Hierdurch finden Schülerinnen und Schüler Zugang zu vielfältigen Möglichkeiten, absichtsvoll durch Bilder zu kommunizieren sowie neue Methoden der Bildproduktion zu erschließen.
Neben einer Sensibilisierung der Wahrnehmung und der damit einhergehenden Erweiterung und Differenzierung der Wahrnehmungsfähigkeit stellt die Ausbildung von Kompetenzen im gestalterischen Bereich die Basis des Kunstunterrichts dar. Der Kunstunterricht zielt im gestalterischen Bereich ab auf Fähigkeiten, eigenständig bildnerische Lösungen zu entwickeln. Dieser Prozess besteht darin, erste Ideen zu finden, zu skizzieren und zu entwerfen, zu experimentieren, viele weitere Zwischenschritte zu durchlaufen, die Ergebnisse zu präsentieren und zu reflektieren. Durch den vielfältigen Umgang mit Materialien, Werkzeugen und Gestaltungsverfahren erwerben die Schülerinnen und Schüler Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit technischen und bildnerischen Mitteln. Sie vertiefen ihre Kompetenzen darin, Ergebnisse auf deren Wirkung hin zu beurteilen und die Form der Gestaltung gezielt nach der beabsichtigten Aussage auszurichten. So erkennen sie auch, dass künstlerische Prozesse nicht vollständig planbar sind, sondern dass prozessgebundene Material- und Formwahrnehmungen die Zielrichtung des Prozesses verändern können. Im Besonderen erfahren sie, dass individuelle Ausdrucksmöglichkeiten gleichwertige Bildkonzeptionen ergeben können, auch vor dem Hintergrund ästhetischer Normen und möglicher geschmacklicher Vorprägungen.
Die Entwicklung künstlerischer Kompetenzen ist komplex. Sie umfasst die Bereitschaft, sich auf künstlerische Erfahrungen einzulassen, Fähigkeiten zu nutzen, Wissen zu aktualisieren und Handlungsentscheidungen zu treffen. Die Kompetenzen entstehen im Zusammenspiel von Neugier, Motivation, Fähigkeit, Wissen, Handeln, Verstehen, Urteilen und Erfahrung.
Innerhalb der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben trägt insbesondere auch der Unterricht im Wahlpflichtfach Kunst im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leistet er einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit anderen Fächern und Lernbereichen, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf. Fachliches und sprachliches Lernen sind untrennbar miteinander verbunden und finden in jedem Unterricht statt. Deshalb kommt auch im Wahlpflichtfach Kunst dem sprachsensiblen Fachunterricht eine besondere Bedeutung zu.
Die Verwendung von Material und Werkzeugen im Unterricht ist eng gebunden an die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen und der Werkstattordnung.
Der Kunstunterricht im Wahlpflichtbereich ermöglicht eine vertiefte und erweiterte Auseinandersetzung mit Bildern. Schwerpunkte der Unterrichtsarbeit sind umfangreichere Gestaltungsvorhaben, Förderung der Selbstständigkeit und Kreativität im Lernprozess sowie Präsentation der Gestaltungsergebnisse.
Im Wahlpflichtfach erfahren die Kompetenzbereiche eine Vertiefung durch einen höheren Grad an Reflexion, der sich in einem erweiterten Anteil von Planungs-, Handlungs- und Gestaltungskompetenzen zeigt. Dies intensiviert das Urteilsvermögen bezogen auf ästhetische Prozesse und Produkte. Auf der inhaltlichen Ebene werden die jeweiligen fachlichen Inhaltsfelder in ihren Schwerpunkten erweitert, ergänzt und vertieft.
Einen besonderen Schwerpunkt bildet im Wahlpflichtbereich Kunst die Ausweitung der gestalterisch-praktischen Arbeit. Projektorientierter Unterricht fördert die Selbstständigkeit und Kreativität der Schülerinnen und Schüler und erweitert ihr Blickfeld. Präsentationen von Unterrichtsergebnissen bereichern das Schulkulturleben und führen junge Menschen an die kulturelle Teilhabe und Mitgestaltung heran. Außerschulische Lernorte und besondere Anlässe des schulischen Kulturlebens sind geeignet, künstlerische Kompetenzen lebensnah zu erwerben. Kooperationen mit geeigneten außerschulischen Kooperationspartnern aus den verschiedensten Bereichen tragen zur Öffnung von Schule bei und verstärken schulische Lernprozesse.
Kunst als Wahlpflichtfach leistet einen besonderen Beitrag zur beruflichen Orientierung. Der Bezug zu verschiedenen außerschulischen Kooperationspartnern kann den Schülerinnen und Schülern durch den direkten Kontakt zu einschlägigen Berufsgruppen berufswahlvorbereitende Chancen eröffnen. Die berufliche Perspektive bezieht sich nicht nur auf explizit künstlerische Berufsfelder, sondern umfasst alle Berufe, die grundlegende gestalterische Fähigkeiten erfordern. Sie reicht somit von der Kunsterziehung über handwerkliche Gestaltungsberufe und das Gestaltungsfeld Design bis hin zur Medienbranche. Neben der Erweiterung gestalterischer Kenntnisse fördert gerade die eigene Gestaltungspraxis auch die in vielen Berufen erforderlichen personalen und sozialen Kompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, aber auch Ausdauer, Konzentration und Toleranz.