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1 Aufgaben und Ziele des Faches

Gegenstand der Fächer im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld (III) sind die empirisch erfassbare, die in formalen Strukturen beschreibbare und die durch Technik gestaltbare Wirklichkeit sowie die Verfahrens- und Erkenntnisweisen, die ihrer Erschließung und Gestaltung dienen.

Naturwissenschaft und Technik prägen unsere Gesellschaft in allen Bereichen und bilden heute einen bedeutenden Teil unserer kulturellen Identität. Sie bestimmen maßgeblich unser Weltbild, das schneller als in der Vergangenheit Veränderungen durch aktuelle Forschungsergebnisse erfährt. Das Wechselspiel zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Anwendung bewirkt einerseits Fortschritte auf vielen Gebieten, vor allem auch bei der Entwicklung und Anwendung von neuen Technologien und Produktionsverfahren. Andererseits birgt das Streben nach Fortschritt auch Risiken, die bewertet und beherrscht werden müssen. Naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse und Innovationen stehen damit zunehmend im Fokus gesellschaftlicher Diskussionen und Auseinandersetzungen. Eine vertiefte naturwissenschaftliche Bildung bietet dabei die Grundlage für fundierte Urteile in Entscheidungsprozessen über erwünschte oder unerwünschte Entwicklungen.

Im Rahmen der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben tragen insbesondere auch die Fächer des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeldes im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschaftswissenschaftlichen und sprachlich-literarisch-künstlerischen Feldern sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.

Besondere Ziele der Chemie

Die Chemie als experimentell orientierte Erfahrungswissenschaft verfolgt das Ziel, den Aufbau der Stoffe und jegliche Stoffumwandlung zu untersuchen und zu erklären. Siegeneriert übergreifende Theorien und Modelle zum Aufbau der Stoffe und zum Ablauf von Stoffumwandlungen und die damit einhergehenden Energieumsätze sowie zur Beschreibungund Erklärung natürlicher und technischer Prozesse.Darüber hinaus liefert sie Kriterien für die Beurteilung technischer Systeme und Entwicklungen, wobei Aspekte der Beeinflussung natürlicher und technischer Abläufe aufgenommen werden. Bei chemischen Untersuchungen spielen sowohl die Beschreibung von Phänomenen in einer exakten Fachsprache, das zielgerichtete Überprüfen von Hypothesen durch Experimente, das kriterien- und theoriegeleitete Argumentieren sowie das ordnende Strukturieren fachwissenschaftlicher Erkenntnisseeine herausgehobene Rolle. Kennzeichnend sind dabei die wechselnde Betrachtung von Stoffen und Stoffumwandlungen auf der Stoff- und der Teilchenebene und die Verknüpfung dieser beiden Ebenen zur Erklärung von Phänomenen, Sachverhalten, Konzepten und Gesetzmäßigkeiten der Chemie.

Ziele einer vertieften chemisch-naturwissenschaftlichen Bildung

Chemisches Wissen ermöglicht dem Individuum ein Verständnis der materiellen Welt sowie eine aktive Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation, Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu naturwissenschaftlichen Problemlösungen und technischen Entwicklungen und trägt deshalb zu einer vertieften Allgemeinbildung bei.

Einevertiefte chemisch-naturwissenschaftliche Bildung im Sinne einer übergreifenden fachlichen Kompetenz besteht insbesonderedarin,die besonderen Denk- und Arbeitsweisen der Chemie als Naturwissenschaft und deren Entstehung zu verstehen und diese für Problemlösungen und die Erweiterung des eigenen Wissens zu nutzen. Sie umfasst die Fähigkeit, konzeptionelles Wissen und methodische Fertigkeiten anzuwenden, um spezifische Fragestellungen, Probleme und Problemlösungen zu erkennen, Phänomene mit theoretischen und experimentellen Methoden systematisch zu untersuchen sowie gestützt durch Daten oder andere Belege Schlussfolgerungen zu ziehen und darauf basierend, überzeugend zu argumentieren und rationale Entscheidungen zu treffen. Sie findet außerdem ihren Ausdruck in der Bereitschaft, sich reflektierend und gestaltend mit naturwissenschaftlichen Ideen und Problemen auseinanderzusetzen.

Der vorliegende Kernlehrplan beschreibt die Kompetenzen, die als Ergebnis des Unterrichts in der gymnasialen Oberstufe für eine vertiefte chemisch-naturwissenschaftliche Bildung als unerlässlich angesehen werden.

Vernetzung chemischen Wissens über Basiskonzepte

In Anlehnung an die Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss und aufbauend auf den Basiskonzepten des Kernlehrplans Chemie der Sekundarstufe I werden in der gymnasialen Oberstufe die Basiskonzepte Struktur-Eigenschaft, Chemisches Gleichgewicht, Donator-Akzeptor sowie Energie herangezogen. Dabei stellen die Basiskonzepte Chemisches Gleichgewicht und Donator-Akzeptor eine Ausdifferenzierung desBasiskonzeptes Chemische Reaktion aus der Sekundarstufe I und das Basiskonzept Struktur-Eigenschafteine Erweiterung des Basiskonzeptes Struktur der Materie dar.

Die Basiskonzepte haben wichtige strukturierende und orientierende Funktionen: Sie beinhalten zentrale, aufeinander bezogene Begriffe, Modellvorstellungen und Prozesse sowie damit verknüpfte Handlungsmöglichkeiten. Als Konzepte mit übergeordneter Bedeutung und Reichweite eignen sie sich besonders gut zur Vernetzung des Wissens in unterschiedlichen Inhaltsfeldern der Chemie. Sie ermöglichen außerdem, Sachverhalte situationsübergreifend aus bestimmten Perspektiven anzugehen. Somit bilden sie übergeordnete Strukturen im Entstehungsprozess eines vielseitig verknüpften Wissensnetzes.

Chemieunterricht in der gymnasialen Oberstufe

Chemieunterricht in der gymnasialen Oberstufe knüpft an den Unterricht in der Sekundarstufe I an und vermittelt, neben grundlegenden Kenntnissen und Qualifikationen, Einsichten auch in komplexe Naturvorgänge sowie für das Fach typische Herangehensweisen an Aufgaben und Probleme. Dazu lernen Schülerinnen und Schüler zunehmend selbstständig chemische Sichtweisen kennen und erfahren Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlichen Denkens. Sie intensivieren das Erfassen, Beschreiben, Quantifizieren und Erklären chemischer Phänomene, präzisieren und erweitern Modellvorstellungen und thematisieren Modellbildungsprozesse, die auch zu einer umfangreicheren Theoriebildung führen. Die Betrachtung und Erschließung von komplexen Ausschnitten der Lebenswelt unter chemischen Aspekten erfordert von den Schülerinnen und Schülern in hohem Maße Kommunikations- und Handlungsfähigkeit. Zur Erfüllung dieser Aufgaben und zum Erreichen der Ziele vermittelt der Chemieunterricht in der gymnasialen Oberstufe fachliche und fachmethodische Inhalte unter Berücksichtigung von Methoden und Formen selbstständigen und kooperativen Arbeitens.In der experimentellen Auseinandersetzung mit chemischen Fragestellungen erwerben die Schülerinnen und Schüler immanent und gezielt sicherheits- und gesundheitsbezogene Kompetenzen.[1]Herangehensweisen, die unterschiedliche Vorerfahrungen, fachspezifische Kenntnisse und Interessen, auch geschlechtsspezifische, in den Blick nehmen, sind angemessen zu berücksichtigen

Das Lernen in Kontexten ist verbindlich. Lernen in Kontexten bedeutet, dass Fragestellungen aus der Praxis der Forschung, technische und gesellschaftliche Fragestellungen und solche aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler den Rahmen für Unterricht und Lernprozesse bilden. Geeignete Kontexte beschreiben reale Situationen mit authentischen Problemen, deren Relevanz für Schülerinnen und Schüler erkennbar ist und die mit den zu erwerbenden Kompetenzen gelöst werden können.

Aufgabe der Einführungsphase ist es, Schülerinnen und Schüler auf einen erfolgreichen Lernprozess in der Qualifikationsphase vorzubereiten. Wesentliche Ziele bestehen darin, neue fachliche Anforderungen der gymnasialen Oberstufe, u.a. bezüglich einer verstärkten Formalisierung, Systematisierung und reflektierenden Durchdringung sowie einer größeren Selbstständigkeit beim Bearbeiten und Erarbeiten fachlicher Fragestellungen und Probleme, zu verdeutlichen und einzuüben. Dabei ist es notwendig, die im Unterricht der Sekundarstufe I erworbenen Kompetenzen zu konsolidieren und zu vertiefen,um eine gemeinsame Ausgangsbasis für weitere Lernprozesse zu schaffen. Insbesondere in dieser Phase ist eine individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern mit teilweise heterogenen Bildungsbiographien von besonderer Bedeutung.

In der Qualifikationsphase findet der Unterricht im Fach Chemie in einem Kurs auf grundlegendem Anforderungsniveau (Grundkurs) oder einem Kurs auf erhöhtem Anforderungsniveau (Leistungskurs) statt. Die Anforderungen in den beiden Kursarten unterscheiden sich nicht nur quantitativ im Hinblick auf zusätzliche Forschungsbereiche und weitergehende Beispiele für Anwendungssituationen, sondern vor allem qualitativ, etwa in der zu erreichenden fachlichen Tiefe, dem Grad der Vertiefung und Vernetzung der Fachinhalte sowie in der Vielfalt des fachmethodischen Vorgehens.

Im Grundkurs erwerben Schülerinnen und Schüler eine wissenschaftspropädeutisch orientierte Grundbildung. Sie entwickeln die Fähigkeit, sich mit grundlegenden Fragestellungen, Sachverhalten, Problemkomplexen und Strukturen des Faches Chemie auseinanderzusetzen. Sie machen sich mit wesentlichen Arbeits- und Fachmethoden sowie Darstellungsformen des Faches vertraut und können in exemplarischer Form Zusammenhänge im Fach und mit anderen Fächern herstellen und problembezogen nutzen.Der Unterricht imGrundkurs unterstützt durch lebensweltliche Bezüge die Einsicht in die Bedeutung des Faches und trägt durch die Vermittlung und Förderung von Kompetenzen zur Selbstständigkeit der Lernenden bei.

Im Leistungskurs erweitern Schülerinnen und Schüler die oben beschriebenen Fähigkeiten im Sinne einer systematischen, vertieften und reflektierten wissenschaftspropädeutisch angelegten Arbeitsweise. Sie beherrschen Arbeits- und Fachmethoden in einer Weise, die ihnen selbstständiges Anwenden, Übertragen und Reflektieren in variablen Situationen ermöglicht. Dabei gelingt ihnen eine zielgerichtete und souveräne Vernetzung von innerfachlichen Teilaspekten, aber auch von verschiedenen fachlich relevanten Disziplinen.

In beiden Kurstypen finden Aspekte einer vertieften Allgemeinbildung, Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit sowie Berufsorientierung Berücksichtigung. Die Schülerinnen und Schüler sollen zudem während der gesamten Einführungs- und Qualifikationsphase in ihrer persönlichen und fachlichen Entwicklung individuelle Förderung erfahren und entsprechende Kompetenzen erwerben, die sie in ihrer Weiterentwicklung zu sozialen, studier- und berufsfähigen Individuen unterstützen. Somit können sie aktiv und verantwortungsbewusst an ihrer persönlichen Lebensgestaltung mitwirken.


[1]Die Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht an allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen (RISU-NRW) sind zu beachten.

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