1. Aufgaben und Ziele des Faches
Gegenstand der Fächer im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld (III) sind die empirisch erfassbare, die in formalen Strukturen beschreibbare und die durch Technik gestaltbare Wirklichkeit sowie die Verfahrens- und Erkenntnisweisen, die ihrer Erschließung und Gestaltung dienen.
Im Rahmen der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben tragen insbesondere auch die Fächer des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeldes im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschaftswissenschaftlichen und sprachlich-literarisch-künstlerischen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.
Der Mathematikunterricht der gymnasialen Oberstufe trägt zu einer erweiterten Allgemeinbildung und einer allgemeinen Studierfähigkeit der Schülerinnen und Schüler bei. Er vermittelt grundlegende mathematische Kompetenzen, die eine für eine reflektierte Bewältigung des täglichen Lebens bedeutsame Grundlage bilden und für ein Hochschulstudium sowie eine anspruchsvolle Berufsausbildung notwendig sind.
Dieser Lehrplan setzt die KMK-Bildungsstandards für Nordrhein-Westfalen um und orientiert sich damit am Konzept eines allgemeinbildenden Mathematikunterrichts.[1] Demnach sollen den Schülerinnen und Schülern im Mathematikunterricht der gymnasialen Oberstufe insbesondere die folgenden Grunderfahrungen ermöglicht werden:
- technische, natürliche, soziale und kulturelle Erscheinungen und Vorgänge mithilfe der Mathematik wahrnehmen, verstehen, beurteilen und beeinflussen (Mathematik als Anwendung),
- mathematische Gegenstände und Sachverhalte, repräsentiert in Sprache, Symbolen und Bildern, als geistige Schöpfungen, als eine deduktiv geordnete Welt eigener Art erkennen und weiterentwickeln (Mathematik als Struktur),
- in der Auseinandersetzung mit mathematischen Fragestellungen Kreativität und Problemlösefähigkeit, die über die Mathematik hinausgehen, erwerben und einsetzen (Mathematik als individuelle und kreative Tätigkeit).
Schülerinnen und Schüler erfahren, dass Mathematik eine historisch gewachsene Kulturleistung darstellt. Sie erleben Mathematik als intellektuelle Herausforderung und mathematische Kompetenzen als eine Grundlage zur Selbstentfaltung und aktiven gesellschaftlichen Teilhabe.
Die inhaltliche und methodische Gestaltung des Unterrichts ist entscheidend dafür, dass Schülerinnen und Schüler eine solche mathematische Hintergrundbildung erwerben können. Zu erwerbende Kompetenzen und Methoden des Unterrichts sind insofern eng aufeinander bezogen, als dass Kompetenzen von den Schülerinnen und Schülern nur aktiv erworben werden können und die Aufgabe der Lehrkräfte darin besteht, diesen Prozess mit Hilfe sinnstiftender und motivierender Lernumgebungen anzustoßen und zu begleiten. Der Unterricht soll Schülerinnen und Schüler bei der verständnisorientierten Auseinandersetzung mit Mathematik unterstützen, ihr Interesse an mathematikhaltigen Fragestellungen wecken und ihnen positive Erlebnisse im Umgang mit Mathematik ermöglichen. Dazu wird eine breite Palette unterschiedlichster Unterrichtsformen genutzt, die von der Wissensvermittlungdurch die Lehrkraft bis hin zur selbstständigen Erarbeitung neuer Inhalte durch die Lernenden reicht und der Notwendigkeit individueller Förderung Rechnung trägt. Über die Aneignung und Anwendung von Kalkülen und Verfahren hinaus werden im Unterricht entdeckendes und nacherfindendes Lernen in komplexen Problemkontexten, sowie der Austausch und die Kommunikation über Prozesse und Ergebnisse ermöglicht. Dabei sind Fehler immanenter Bestandteil des Lernprozesses. Deshalb gilt es, nicht Fehler zu vermeiden, sondern sie als Quelle für neue Erkenntnisse zu nutzen.
Inner- und außermathematische Fragestellungen werden an zentralen mathematischen Ideen orientiert miteinander vernetzt. Dabei kann sich die Lehrkraft im Unterricht auf Wesentliches konzentrieren, ausgewählte Inhalte vertieft behandeln und nach dem Prinzip der integrierenden Wiederholung dafür Sorge tragen, dass bereits erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten gefestigt und vertieft werden. Unterschiedliche, auch geschlechtsspezifische Herangehensweisen, Interessen, Vorerfahrungen und fachspezifische Kenntnisse sind angemessen zu berücksichtigen.
In der Einführungsphase werden die in der Sekundarstufe I erworbenen Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Erwerb tragfähiger fachlicher Grundvorstellungen angewendet und vertieft, sodass ein solides und ausbaufähiges Fundament für die Qualifikationsphase entsteht. Unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen werden hier diagnostiziert und im Sinne individueller Förderung berücksichtigt.
In der Qualifikationsphase erwerben und erweitern die Schülerinnen und Schüler in den Grundkursen– anknüpfend an die Erfahrungen aus der Sekundarstufe I und der Einführungsphase – Kompetenzen, die ihnen das Erkennen und Begründen mathematischer Zusammenhänge und flexibles und verständiges mathematisches Handeln in vielfältigen Situationen ermöglichen. Herleitungen und Begründungen erfolgen dabei überwiegend durch heuristische Betrachtungen.
Die Leistungskurse fördern darüber hinaus bei größerer fachlicher Breite vor allem den Erwerb vertiefter Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Verständnis mathematischer Begriffe und Zusammenhänge und deren exemplarischer Verwendung für anspruchsvolle Argumentationen und für Beweise. Verstärktes wissenschaftspropädeutisches Vorgehen dient der Vorbereitung auf ein Studium der Mathematik und der Mathematik nahestehender Fächer.
[1] nach Heinrich Winter, GDM-Mitteilungen, 1995, Heft 61