1 Aufgaben und Ziele des Faches
Die Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes leisten einen gemeinsamen Beitrag zur Entwicklung von Kompetenzen, die das Verstehen der Wirklichkeit sowie gesellschaftlich wirksamer Strukturen und Prozesse ermöglichen und die Mitwirkung in demokratisch verfassten Gemeinwesen unterstützen sollen. Gemeinsam befassen sie sich mit den Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Denkens und Handelns im Hinblick auf die jeweiligen individuellen, gesellschaftlichen, zeit- und raumbezogenen Voraussetzungen, Bedingungen und Auswirkungen. Durch die Vermittlung gesellschaftswissenschaftlich relevanter Erkenntnis- und Verfahrensweisen tragen sie in besonderer Weise zum Aufbau eines Orientierungs-, Deutungs-, Kultur- und Weltwissens bei. Dies fördert die Entwicklung einer eigenen Identität sowie die Fähigkeit zur selbstständigen Urteilsbildung und schafft damit die Grundlage für das Wahrnehmen eigener Lebenschancen sowie für eine reflektierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten.
Innerhalb der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben tragen insbesondere auch die Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit sprach- und naturwissenschaftlichen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.
Zentrale Aufgabe des Psychologieunterrichts ist die Förderung einer reflektierten psychologischen Kompetenz: Im Unterrichtsfach Psychologie gewinnen die Schülerinnen und Schüler grundlegende Einsichten in individuelle und interindividuelle Prozesse menschlichen Erlebens und Verhaltens aus verschiedenen Perspektiven, wobei Aspekte der wissenschaftlichen Erforschung und Erklärung dieser Phänomene und die inhärenten wissenschaftstheoretischen und kulturhistorischen Prämissen ihrer Menschenbildannahmen berücksichtigt werden. Eine besondere Rolle spielen dabei die Anwendungsfelder der Psychologie.
Psychische Phänomene, die im Alltag häufig subjektiv und unreflektiert erlebt werden, können systematisch wissenschaftlich beschrieben, empirisch untersucht und theoretisch erklärt werden. Dadurch werden Alltagserfahrungen psychischer Prozesse rational fassbar und objektivierbar. Durch diese Art der Reflexion entwickeln die Schülerinnen und Schüler fortschreitend eine wissenschaftliche Perspektive.
Aus theoretischen Modellen der Psychologie lassen sich wissenschaftlich fundierte Handlungsweisen und Verfahren (psychologische Techniken und Interventionsverfahren) ableiten, die der Bewältigung praktischer Problemstellungen dienen. Auf das Alltagshandeln übertragen eröffnen sie den Schülerinnen und Schülern neue Optionen zur rationalen Bewältigung des täglichen Lebens und damit zu einem verantwortlichen Umgang mit sich selbst und ihrer sozialen Umgebung.
Charakteristisch für das Unterrichtsfach Psychologie ist, dass psychische Phänomene im Schnittbereich von Gesellschaft, Kultur und Natur mit Hilfe naturwissenschaftlich-empirischer und geisteswissenschaftlicher Methoden untersucht werden.
Alles psychologische Handeln, die empirische Forschung, die theoretische Beschreibung und Erklärung wie auch die Entwicklung und der Einsatz wissenschaftlich-praktischer Handlungsformen, beruht auf fundamentalen Annahmen über den Menschen und sein Verhältnis zur sozialen Umwelt. Diese zentralen „Menschenbildannahmen“ entwickeln sich aus gesellschaftlich-historischen Prozessen und führen in der Psychologie zu verschiedenen, zum Teil rivalisierenden „Paradigmen“. Schülerinnen und Schüler setzen sich somit einerseits damit auseinander, dass auch ihr Alltagshandeln fundamentalen Prämissen folgt, die ihnen mehr oder weniger bewusst sind. Andererseits entwickeln sie in dieser Auseinandersetzung zunehmend die Fähigkeit, durch die Erschließung psychischer Phänomene aus der Sicht verschiedener Paradigmen die Vielschichtigkeit und Bedingtheit eines Beurteilungsproblems zu erschließen sowie eigene Wertmaßstäbe und Beurteilungskriterien zu reflektieren.
Die Psychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten des Menschen aus unterschiedlichen Sichtweisen und in unterschiedlichen Disziplinen. Die angesichts der unübersehbaren Breite möglicher Inhalte unverzichtbare Strukturierung geht im Interesse der Wissenschaftsorientierung und der Lebensorientierung aus von Fragen, die für die Schülerinnen und Schüler in ihrer aktuellen Lebenswelt bedeutsam erscheinen.
Reflektierte psychologische Kompetenz wird im Unterricht aufgebaut durch die Auseinandersetzung mit Inhalten, die die psychologischen Fachdisziplinen und die psychologischen Hauptströmungen abdecken. Die Fachdisziplinen umfassen als Grundlagendisziplinen die Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie, Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie sowie als Anwendungsdisziplinen z.B. Klinische Psychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie. Zu den Hauptströmungen zählen Tiefenpsychologie, Behaviorismus, Kognitivismus, Psychobiologie (Physiologie und evolutionäre Psychologie) und ganzheitliche Psychologie (systemische Psychologie und humanistische Psychologie). Beim Erwerb reflektierter psychologischer Kompetenz müssen die Fachdisziplinen und Hauptströmungen in Beziehung gesetzt werden.
Die Auswahl der Inhaltsfelder berücksichtigt weiterhin zwei zentrale Aspekte. Die Inhaltsfelder sind zum einen repräsentativ für die jeweilige psychologische Disziplin und zum anderen können sie sinnvoll aus unterschiedlichen paradigmatischen Zugängen heraus bearbeitet werden.
In der Einführungsphase werden die Schülerinnen und Schüler mit zentralen psychologischen Fragestellungen konfrontiert, um inhaltlich wie methodisch ein tragfähiges, differenziertes und anspruchsvolles Fundament für den weiteren Unterricht im Fach Psychologie zu schaffen. Wichtig ist hierbei, dass die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche psychologische Disziplinen sowie Sichtweisen der Hauptströmungen des Faches kennenlernen. Sie erwerben ansatzweise einen allgemeinen Überblick sowie ein vertieftes Verständnis einzelner exemplarischer Aspekte.
Grundkurse folgen dem Ansatz, unterschiedliche Sichtweisen und Richtungen der Psychologie systematisch gegenüberzustellen. In allen Inhaltsfeldern wird Einblick in zentrale Fragestellungen verschiedener psychologischer Disziplinen und der dazugehörigen grundlegenden Forschungsmethoden gegeben. Auf dieser Basis entwickeln die Schülerinnen und Schüler eine grundlegende, fachlich fundierte Sach-, Methoden-, Urteils- und Handlungskompetenz, die sie auch in die Lage versetzt, eigene Positionen gegenüber Dritten zu vertreten.
Leistungskurse folgen ebenfalls dem Ansatz, unterschiedliche Sichtweisen und Richtungen der Psychologie systematisch gegenüberzustellen. Sie sind wissenschaftstheoretisch und methodisch differenzierter angelegt als Grundkurse. Inhaltliche Schwerpunkte können hierbei durch verschiedene Aspekte vertieft oder ergänzt werden. Die angestrebte Sach-, Methoden, Urteils- und Handlungskompetenz ist daher auch stärker wissenschaftspropädeutisch fundiert.
Dies bedeutet, dass die Anzahl obligatorischer inhaltlicher Schwerpunkte bei Grundkursen und Leistungskursen gleich ist. Die Graduierung erfolgt im Sinne des beschriebenen Konzeptes über die Spezifizierung und die Anzahl konkretisierter Kompetenzerwartungen.