1. Aufgaben und Ziele des Faches
Fremdsprachenlernen mit dem Ziel individueller Mehrsprachigkeit gewinnt angesichts der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas und der Globalisierung stetig an Bedeutung. Der Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe vermittelt sprachlich-kommunikative und interkulturelle Kompetenzen, die eine wichtige Voraussetzung für angemessenes und erfolgreiches Handeln im privaten wie beruflichen Leben sind.
Das Erlernen der russischen Sprache ist für Menschen der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der vielfältigen historischen und aktuellen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland von besonderer Wichtigkeit. Russisch ist Muttersprache vieler Bürgerinnen und Bürger der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. In der Bundesrepublik Deutschland leben mehrere Millionen Menschen, die auf Grund ihrer Herkunft über Russischkenntnisse verfügen. Russisch wird zudem immer noch von einer großen Anzahl von Menschen in den Staaten Osteuropas und Zentralasiens gesprochen und kann als Schlüssel zum Verständnis anderer slawischer Sprachen dienen.
Die russische Sprache ist ein wichtiger Bestandteil des europäischen Kulturerbes. Sie ist Amtssprache der UNO und Arbeitssprache des Europarates. Sie ist die Sprache eines Landes mit großen Entwicklungsmöglichkeiten, das zurzeit im Dialog mit den westlichen Industrienationen seinen eigenen Weg der Transformation sucht.
Den gesellschaftlichen Anforderungen an Studierfähigkeit, Berufsorientierung und vertiefte Allgemeinbildung entsprechend ist der Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe dem Leitziel der interkulturellen Handlungsfähigkeit verpflichtet. Er ist wissenschafts- und berufspropädeutisch sowie persönlichkeitsbildend.
Ein wesentliches Ziel des Russischunterrichts der Oberstufe ist die Befähigung zum mündlichen und schriftlichen Diskurs. Diese Diskursfähigkeit wird verstanden als eine Verstehens- und Mitteilungsfähigkeit, die inhaltlich zielführend, sprachlich sensibel und differenziert, adressatengerecht und pragmatisch angemessen ist. Sie umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht mit den sprachlichen Kompetenzen im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert ist.
Die Orientierung am Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen[1] sichert die Internationalisierung fremdsprachlicher Standards und ermöglicht eine differenzierte Sicht auf die zu vermittelnden kommunikativen Kompetenzen.
Der Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe setzt die fachpädagogische Arbeit der Sekundarstufe I fort. Neben sprachlichem Können und dem Wissen über Sprache und sprachliche Kommunikation umfasst interkulturelle Handlungsfähigkeit den kompetenten Umgang mit der Lebenswirklichkeit, den gesellschaftlichen Strukturen, der Kultur und der Literatur sowie den Medien in Russland. Der Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe schenkt soziokulturell und global bedeutsamen Themen und deren Darstellung in den russischsprachigen Medien erhöhte Aufmerksamkeit. Durch die Auseinandersetzung mit authentischen Sach- und Gebrauchstexten sowie mit anspruchsvolleren literarischen Texten ermöglicht der Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe Einblicke in die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten des russischen Kultur- und Sprachraums. Darüber hinaus stärkt er – im Einklang mit anderen Fächern des literarisch- sprachlichen Aufgabenbereichs – die methodischen Kompetenzen des Umgangs mit Texten und Medien. Die Auseinandersetzung mit anderen Lebenswirklichkeiten sowohl in historisch erklärender als auch aus geschlechterdifferenzierender Perspektive fördert die Bereitschaft zur Selbstreflexion und eröffnet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Distanz zu eigenen Sichtweisen und Haltungen herzustellen. Nicht zuletzt soll durch die Beschäftigung mit der literarisch-ästhetischen Dimension Freude an Sprache, Sprachgebrauch und Sprachenlernen vermittelt und die Motivation, sich auch außerhalb der Schule neuen Spracherfahrungen zu stellen, erhöht werden.
Das Leitziel der interkulturellen Handlungsfähigkeit beinhaltet im Zusammenhang mit dem Auftrag, vertiefte Allgemeinbildung und Studierfähigkeit zu stärken, für den Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe die Verpflichtung, die Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung individueller Mehrsprachigkeitsprofile zu unterstützen.
Der Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe ist in besonderer Weise der individuellen Förderung verpflichtet. Dabei geht es darum, die Potenziale jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers zu erkennen, zu entwickeln, zu fördern und den Bildungsverlauf durch systematische individuelle Beratung und Unterstützung zu begleiten. Dies korrespondiert im Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe mit dem Leitbild des aktiven kooperativen und selbstständigen Lernens. In diesem Sinne bietet der Russischunterricht vielfältige und anregungsreiche Lerngelegenheiten, in denen die Schülerinnen und Schüler ihr Können und Wissen in gut organisierter und vernetzter Weise erwerben, vertiefen und reflektieren sowie zunehmend mehr eigene Verantwortung für den Erwerb von Kompetenzen übernehmen können. Dazu tragen auch Vorhaben bei, die den Unterricht für das Umfeld der Schule und Möglichkeiten persönlichen grenzüberschreitenden Austausches öffnen, etwa zeitlich begrenzte Projektphasen sowie den Unterricht begleitende Vorhaben (z.B. Exkursionen, Studienfahrten, internationale Begegnungen, Korrespondenzprojekte, Teilnahme an Wettbewerben, Felduntersuchungen).
Innerhalb der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben trägt insbesondere auch der Russischunterricht im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leistet er einen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.
Das Fach Russisch wird in der gymnasialen Oberstufe als fortgeführte Fremdsprache und als neu einsetzende Fremdsprache unterrichtet.
Russisch als fortgeführte Fremdsprache
Aufbauend auf dem am Ende der Sekundarstufe I erreichten Niveau erweitern und vertiefen die Schülerinnen und Schüler ihre fremdsprachlichen Kompetenzen im Russischunterricht der gymnasialen Oberstufe.
In der Einführungsphase treffen die Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Lerngelegenheiten, die sie auf die Anforderungen der Qualifikationsphase vorbereiten. Am Ende der Einführungsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B1+ des GeR.
Die fortgeführte Fremdsprache Russisch wird in der Qualifikationsphase als dreistündiger Grundkurs und als fünfstündiger Leistungskurs unterrichtet. Sowohl der dreistündige Grundkurs als auch der fünfstündige Leistungskurs verfolgen die oben genannten Aufgaben und Ziele des Faches jeweils in der gesamten Breite.
Im Grundkurs erwerben die Schülerinnen und Schüler eine verlässliche Basis interkultureller fremdsprachlicher Handlungskompetenz. Dies gilt gleichermaßen für den Leistungskurs. Darüber hinaus erwerben die Schülerinnen und Schüler im Leistungskurs die Kompetenzen in einer breiteren und tieferen Auseinandersetzung mit Texten und Medien sowie in einem höheren Maß an Selbstständigkeit. Am Ende der Qualifikationsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B2 des GeR.
Russisch als neu einsetzende Fremdsprache
Das Fach Russisch als neu einsetzende Fremdsprache wird in der gymnasialen Oberstufe in einem vierstündigen Kurs unterrichtet, in dem die Schülerinnen und Schüler eine grundlegende interkulturelle fremdsprachliche Handlungskompetenz erwerben. Am Ende der Qualifikationsphase erreichen die Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B1 mit Anteilen von B2 des GeR.
[1]Europarat – Rat für kulturelle Zusammenarbeit (2001), Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, hrsg. v. Goethe-Institut InterNationes u.a., Langenscheidt: Berlin u. a. Der Text ist abrufbar unter: http://www.goethe.de/referenzrahmen.