Unterrichtsvorhaben V (Grundkurs, Einführungsphase)
Wie wollen wir leben, wenn wir unsere Angelegenheiten selbst regeln können oder müssen? Induktive Erarbeitung gesellschaftlicher Strukturen und Mechanismen am Dorfgründungsszenario
„Kein Mensch hat das Recht auf Gehorsam.“ Hannah Arendt
Hinweis: Thema, Inhaltsfelder, inhaltliche Schwerpunkte und Kompetenzen hat die Fachkonferenz der Beispielschule verbindlich vereinbart. In allen anderen Bereichen sind Abweichungen von den vorgeschlagenen Vorgehensweisen bei der Konkretisierung der Unterrichtsvorhaben möglich. Darüber hinaus enthält dieser schulinterne Lehrplan in den Kapiteln 2.2 bis 2.4 übergreifende sowie z.T. auch jahrgangsbezogene Absprachen zur fachmethodischen und fachdidaktischen Arbeit, zur Leistungsbewertung und zur Leistungsrückmeldung. Je nach internem Steuerungsbedarf können solche Absprachen auch vorhabenbezogen vorgenommen werden. |
Fachdidaktische Idee: Die didaktische Idee dieses Unterrichtvorhabens folgt in Teilen dem Dorfgründungszenario von Andreas Petrik. Dies ist eine Modifikation des bekannten Inselszenarios: Statt auf eine abgelegene Insel verschlagen zu werden, wandert der SoWi-Kurs fiktiv für ein halbes Jahr in ein abgelegenes Pyrenäen-Dorf aus. In diesem leerstehenden Dorf gibt es eine dörfliche Infrastruktur mit für den Kurs passenden verschieden großen und ausgestatteten Häusern, einem Schul-, Gemeindehaus, das auch ein Gefängnis enthält, handwerklichen und landwirtschaftlichen Produktionsmitteln, Wasser und Strom und einem öffentlichen Dorfplatz. Auch sind die Schüler zugleich nach dem Zufalls- und statistischem Verteilungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland für eine Zeitlang von ihren Elternhäusern mit einem regelmäßigen Einkommen ausgestattet. Es steht also nicht die Frage nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse im Mittelpunkt, sondern die danach, wie die Schülerinnen und Schüler als neue Dorfbewohner ihr Leben organisieren und regeln wollen. In diesem rudimentären ökonomischen, sozialen und politischen Mikrokosmos entwickeln die Schülerinnen und Schüler durch ihre eigene weitgehend öffentliche politische Praxis (Dorfplatz als Polis) genetisch die Perspektiven auf die politischen Grundfragen. Die – vorsichtig agierenden und begleitenden, Kontroversen pflegenden, zur Reflexion anhaltenden und wenig inhaltlich steuernden – Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe die Regelungsnotwendigkeiten der Dorfbewohner und die Dilemmata, in die sie sich verwickeln, auf die politischen Grundparadigmen vertiefen zu helfen. Die wichtigsten Prozesse und Ergebnisse sichert jede Schülerin/jeder Schüler in einem „Dorftagebuch“ (Evaluationsmethode)
Literatur:
Übergeordnete Kompetenzen, deren Erwerb in diesem Unterrichtsvorhaben in besonderer Weise gefördert wird:
Sachkompetenz Die Schülerinnen und Schüler
Methodenkompetenz
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Urteilskompetenz Die Schülerinnen und Schüler
Handlungskompetenz
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Inhaltsbezug
Inhaltsfelder: IF 2 Politische Strukturen, Prozesse und Partizipationsmöglichkeiten |
Inhaltliche Schwerpunkte:
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IF 3 Individuum und Gesellschaft |
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Vorhabenbezogene Konkretisierung:
Thema / |
Fachdidaktische Idee(n)/Lernumgebung/ Inhalte des Lern- und Arbeitsprozesses |
Diagnostik/Methoden der Lernevaluation |
Kompetenzen, zugleich Evaluationsindikatoren Die Schülerinnen und Schüler … |
Materialien |
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Wie sieht mein aktuelles Alltagsleben aus? Was stört mich an meinem aktuellen Leben in meiner Gesellschaft? Was wünsche ich mir in dem zukünftigen Leben im Dorf? Was erwarte ich dabei von den anderen Mitreisenden? |
Die Schülerinnen und Schüler werden zu der Reise in das entlegene Dorf eingeladen. Bevor die fiktive Reise losgeht, machen sie eine verfremdende Gedankenreise durch ihren Alltag. Mit Hilfe einer Kartenabfrage und der anschließenden öffentlichen Vorstellung im Kurs-Forum gehen sie auf Distanz zu ihrem Alltag und formulieren analog zur Zukunftswerkstatt negative und positive soziale Utopien. Die Karten werden kategoriell geclustert. |
(Ausgangs-)Diagnostik: Vorstellungen der Jugendlichen über Störungen, Ängste, Wünsche in ihrem Alltagsleben Diagnostik-Hypothesen:
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Konkretisierte SK (IF 3):
Konkretisierte UK (IF 3):
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Lehrstück „Dorfgründung“, Regiebuch/Materialsammlung, siehe Link oben Kritik- und Utopiekarten |
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Wo und wie wollen wir wohnen? Wie sollen die Behausungsressourcen verteilt werden? Wie wollen wir hier im Dorf im nächsten halben Jahr leben? Was sind die Grundfragen für unsere Zusammenleben? Welche Positionen lassen sich dazu ausmachen? Welche Geschäftsordnung wollen wir uns geben? Was verstehen wir unter Demokratie? Wem nützen und wem schaden unsere Vorstellungen von Demokratie? |
Nach einer (beschwerlichen) Gedankenreise kommen die Schülerinnen und Schüler auf dem Dorfplatz an, werden nach dem Prinzip der statistischen Einkommensverteilung der Bundesrepublik mit „Geld“ ausgestattet, so dass es „Arme“, eine „Mittelschicht“ und „Reiche“ gibt und aufgefordert, sich vorm Dunkelwerden in den sehr verschieden großen und ausgestatteten Häusern des Dorfes für die Nacht unterzubringen: erste kurze öffentliche Sitzung im „Dorfforum“ zur Klärung der Unterbringungsfragen. Am nächsten Morgen geht es nach einer Reflexionsphase (Wie hat die Aufteilung geklappt?) in die ersten großen Dorfforen. Die Lehrerin oder der Lehrer steuert diesen Prozess, wenn es eben geht, nicht. Chaos, Frust und spontane Regelungen sind erwünscht. Mit Hilfe einer Reflexionsmatrix werden die Grundfragen des Zusammenlebens identifiziert und die zugehörigen Grundpositionen der Regelungsvorstellungen klassifiziert. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln nach einer Reflexionsphase und durch den Vergleich mit Auszügen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine eigene Geschäftsordnung für die Dorfsitzungen. In einer weiteren Reflexionsphase modellieren sie ihre eigenen Demokratievorstellungen und gleichen sie mit typischen Demokratiemodellen ab. (Evaluationsmethode) |
Diagnostik-Hypothesen:
aber auch:
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Übergeordnete Kompetenzen:
Konkretisierte SK (IF 2):
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Matrix Grundfragen und Grundpositionen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages |
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Wie können wir die Grundpositionen zu den Grundfragen unseres Zusammenlebens ermitteln und organisieren? Wie ist meine Position in dorfspezifischen Dilemmasituationen? Wie kann ich mit Gleichgesinnten eine politische Programmatik formulieren? Wie lässt sich die Programmatik verschiedener/gegen-sätzlicher Parteien einordnen? Welchen politischen Grundorientierungen entsprechen unsere Positionen zu gesellschaftlichen Grundfragen? Welche aktuellen Parteiprogramme entsprechen oder widersprechen wieweit unseren Positionen? |
Für die weitere Regelung des Dorflebens werden zu Grundfragen, die zur Diskussion stehen, Grundpositionen von Gleichgesinnten gesucht, die sich zur besseren Interessenartikulation z.B. zu Parteien zusammenschließen. Wenn es dabei Schwierigkeiten gibt, bietet sich die positionsliniengeleitete Orientierung in dorfspezifischen Dilemmasituationen an. Die Schülerinnen und Schüler gründen politische „Dorf-Parteien“ und legen Programme fest, die Positionen zu einzelnen Grundfragen des Zusammenlebens ausweisen. Die Programme werden verglichen und die Parteien positionieren sich zueinander. Heuristisch kann mit dem Links-Rechts-Schema gearbeitet werden. Zum Vergleich und zur Sortierung werden die vier politisch-theoretischen Grundparadigmen (anarchistisches, sozialistisches, konservatives, liberales Paradigma) mit typischen Vertretern Proudhon, Marx, Burke, Smith) eingeführt. Die Vertreter werden über Präsentationen/und Diskussions- (Fishbowl-)runden vorgestellt und beraten die Dorfgemeinde über das ihrer Meinung nach „richtige“ Leben. (Evaluationsmethode) Die eigenen politischen Programmaussagen werden mit den Grundpositionen abgeglichen und in einer Vier-Dimensionen-Matrix abgetragen. (Evaluationsmethode) Die eigenen politischen Programmaussagen werden an ausgewählten dorfspezifischen Prüfsteinen mit denen der im Bundestag vertretenen Parteien verglichen. (Evaluationsmethode) |
Diagnostik-Hypothesen:
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Übergeordnete Kompetenzen:
Konkretisierte SK (IF 2):
Konkretisierte UK (IF 2):
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Traditionelles Recht-Links-Schema Vier-Dimensionen-Matrix zur politischen Einordnung Parteiprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien (Auszüge) |
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Welche politischen Lösungsstrategien gibt es für politische Probleme im staatlich-institutionellen Gefüge der deutschen Demokratie? |
Ein aktuelles dorfanaloges politisches Problem der Bundesrepublik Deutschland, (z.B. „Mindestlohn“, „Energiepreisregulation“ o. Ä.) wird mit Hilfe des Instrumentes des Politikzyklus analysiert und modelliert. (Evaluationsmethode) Der aktuelle Stand der Problemlösung durch die Verfassungsinstanzen wird analysiert. Mögliche Phasen des politischen Prozesses werden in Simulationsspielen antizipiert. Dazu werden die Funktionen der jeweiligen Verfassungsinstanz erarbeitet. (Evaluationsmethode) |
Diagnostik-Hypothese: Die Schülerinnen und Schüler haben nur ein begrenztes Bewusstsein des stark legalistischen Charakters politischer Regelungen in Deutschland.
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Konkretisierte SK (IF 2):
Konkretisierte UK (IF 2):
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Aktuelle Medien, Materialien zu den Positionen der Parteien, Grundgesetz Überblicke über die Verfassungsinstanzen der Bundesrepublik |
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Wodurch kann das demokratische Gefüge Deutschlands gefährdet werden? Welche Werte bestimmen das Grundgesetz? |
Das untersuchte politische Problem wird im Hinblick auf mögliche politische, soziale und ökonomische Auswirkungen untersucht. Es werden radikale und extremistische Positionen dazu aufgesucht und im Hinblick auf Position, Argumentationen und die jeweiligen Wertereferenzen analysiert. Diese Wertereferenzen werden mit Verfassungsgrundsätzen Deutschlands verglichen. Grundgesetz und Grundwerte werden in den Kontext ihrer Entstehungsbedingungen gestellt.(Evaluationsmethoden) |
Diagnostik-Hypothesen:
Schriftliche Analysen radikaler bzw. extremistischer positionaler Texte und Bewertungen bzw. Stellungnahmen unter den Kriterien des GG |
Übergeordnete Methodenkompetenzen:
Konkretisierte SK (IF 2):
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Aktuelle Medien Radikale und extremistische positionale Texte zum aktuellen Problem Grundgesetz Texte zu den hist. Hintergründen des GG |