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2 Prozessbezogene Bereiche, inhaltsbezogene Bereiche und verbindliche Kontexte

Die in Kapitel 1 beschriebene übergreifende fachliche Kompetenz wird ausdifferenziert, indem prozessbezogene Bereiche und inhaltsbezogene Bereiche ausgewiesen werden. Dieses analytische Vorgehen erfolgt, um die Strukturierung der fachlichen Prozesse einerseits sowie der fachlichen Gegenstände andererseits transparent zu machen. In konkreten Lern- und Anforderungssituationen werden beide Seiten miteinander verknüpft.

Prozessbezogene Bereiche repräsentieren die Grunddimensionen des fachlichen Handelns. Sie dienen dazu, die einzelnen Teiloperationen entlang der fachlichen Kerne zu strukturieren und für die am Lehr-Lern­prozess Beteiligten zu verdeutlichen.

Inhaltsbezogene Bereichesystematisieren mit ihren jeweiligen Schwerpunkten die im Unterricht der Abendrealschule unverzichtbaren fachlichen Gegenstände und sind die verbindliche Grundlage für die inhaltliche Ausrichtung des Lehrens und Lernens.

Konkrete Lern- und Anforderungssituationen verknüpfen fachliche Prozesse und fachliche Gegenstände. Sie werden von den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort im Rahmen der Absprachen der Fachkonferenz gestaltet.

Geeignete Kontexte gewährleisten den Beitrag des Mathematikunterrichts der Abendrealschule zur Lebensgestaltung und zur Berufsorientierung.

2.1 Prozessbezogene Bereiche und inhaltsbezogene Bereiche

Der Mathematikunterricht an der Abendrealschule soll bei den Studierenden die für den mittleren Schulabschluss verbindlichen mathematischen Kompetenzen als Regelstandards in dem Umfang und der Höhe aufbauen, wie sie in den Bildungsstandards der KMK vorgesehen sind. Die Kompetenzen sind in unterschiedlichem Umfang und auf unterschiedlichem Niveau erreichbar. Für Studierende, die den Sekundarabschluss I – Hauptschulabschluss nach Klasse 10 – erwerben sowie für diejenigen, die den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 erwerben, dürfen dabei Umfang, Höhe und Komplexität der Anforderungen an den unteren Rand der Bandbreite von Kompetenzerwartungen angepasst werden.Von Studierenden, die den Qualifikationsvermerk für den Eintritt in die gymnasiale Oberstufe bzw. für den Besuch von Bildungsgängen des Berufskollegs, die zur allgemeinen Hochschulreife führen, erwerben, wird erwartet, dass sie die Kompetenzen auf einem höheren Niveau erreichen.

Abschlüsse und Berechtigungen werden nach Maßgabe der APO-WbK vergeben.

Mit der Zielperspektive eines allgemeinbildenden Mathematikunterrichts lassen sich durch eine Analyse der Geschichte und Struktur der Disziplin und der Befunde zum Lehren und Lernen von Mathematik zentrale prozessbezogene Bereiche und zentrale inhaltsbezogene Bereiche identifizieren, die das curriculare Grundgerüst des Faches darstellen:

Die prozessbezogenen Bereiche spiegeln die für das Fach charakteristischen und die für fachliches Arbeiten notwendigen Prozesse wider. Für das Entstehen und Betreiben von Mathematik sind die folgenden drei Prozesse zentral und charakteristisch:

  • Modellieren:Mathematik ist aus konkreten Fragestellungen des Alltags entstanden. Das Modellieren ist der Prozess der Beschreibung außermathematischer Realität durch mathematische Begriffe und Zusammenhänge sowie die Nutzung mathematischer Zusammenhänge zur Lösung realer Probleme.
  • Problemlösen: Die mathematische Bearbeitung außer- oder innermathematischer Kontexte führt immer wieder zu Problemstellungen, die (zunächst) nicht schematisch oder in direkter Anlehnung an bekannte Muster bearbeitet werden können. Das Problemlösen ist der Prozess der Beantwortung solcher Problemstellungen durch Erkundung, Anwendung heuristischer Strategien und Reflexion von Lösungsansätzen.
  • Argumentieren: Bei der Auseinandersetzung mit mathematischen Be­griffen und mathematischen Zusammenhängen werden immer wieder neue Zusammenhänge entdeckt oder vermutet. Das Argumentieren ist der Prozess des Begründens und Beweisens mathematischer Zusammenhänge durch Rückgriff auf Bekanntes und die Regeln des mathematischen Schlussfolgerns.
  • Beim mathematischen Arbeiten treten neben die charakteristischen Prozesse noch die folgenden unterstützendenfachspezifischen Prozesse, ohne die mathematisches Arbeiten nicht denkbar ist:
  • Kommunizieren:Die individuelle mathematische Bearbeitung von Fragestellungen benötigt Möglichkeiten der verbalen und nicht-verbalen Darstellung von mathematischen Begriffen und Zusammenhängen. Im sozialen Austausch müssen diese Darstellungen intersubjektiv nachvollziehbar sein und bestehende Konventionen berücksichtigen. Das Kommunizieren ist der Prozess der Dokumentation fachlicher Bearbeitungen und des Austausches über fachliche Bearbeitungen. Für die Mathematik sind neben der verbalen Darstellung insbesondere die ikonische und die symbolische Darstellung von zentraler Bedeutung.
  • Werkzeuge nutzen:Bei der mathematischen Bearbeitung komplexerer Fragestellungen treten immer wieder gleiche Routinen auf, deren Erledigung von digitalen und nicht-digitalen Werkzeugen zuverlässig und wiederholbar übernommen werden kann. Das Nutzen von Werkzeugen ist der Prozess des Delegierens solcher fachlicher Routinen an geeignete Werkzeuge, sodass die Bearbeitung einer Fragestellung auf den eigentlichen mathematischen Kern konzentriert werden kann.

Die inhaltsbezogenen Bereiche strukturieren die fachlichen Gegenstände und die direkt auf sie bezogenen kognitiven Prozesse, die für einen allgemeinbildenden Mathematikunterricht in der Abendrealschule relevant sind:

  • Arithmetik/Algebra – mit Zahlen und Symbolen umgehen können: Die Absicht, Anzahlen zu erfassen und mit ihnen umzugehen, hat zur Entwicklung des Zahlbegriffs und von Rechenoperationen geführt. Die Arithmetik umfasst diesen konkreten Umgang mit Zahlen, der uns im Alltag vor allem im Sachrechnen begegnet. Die Verallgemeinerung des konkreten Umgangs mit Zahlen durch symbolische Elemente (Variablen) und die Erweiterung der Zahlbereiche (von den natürlichen Zahlen bis hin zu reellen Zahlen) sind Gegenstand der Algebra.
  • Geometrie – ebene und räumliche Strukturen nach Maß und Formerfassen können: Fragestellungen aus der Landvermessung, die vor allem die Bestimmung von Längen und Flächeninhalten betrafen, haben zu einer systematischen Beschäftigung mit Figuren in der Ebene und im Raum geführt. Die Geometrie umfasst den quantitativen und den qualitativen Umgang mit ebenen und räumlichen Strukturen.
  • Funktionen– Beziehungen und Veränderungen erkunden und beschreiben können: Die moderne Mathematik ist vor allem durch die simultane Betrachtung zweier Größen geprägt, wobei eine als von der anderen abhängig betrachtet wird. Funktionen sind mathematische Modelle für solche Zusammenhänge. Funktionales Denken ist grundlegend für das Verstehen einer technologisierten und ökonomisierten Welt.
  • Stochastik – mit Daten und Zufall arbeiten können: Der mathematische Umgang mit Daten erlaubt es, viele Fragestellungen des Alltags rational, quantitativ zu bearbeiten. Zufallserscheinungen wurden historisch zunächst separat hiervon betrachtet, bis die moderne mathematische Statistik erfasst hat, dass viele Daten zufallsbedingt entstehen. Die Stochastik umfasst die Mathematik der Daten und des Zufalls.

Im Sinne erwarteter mathematischer Kompetenz ist prinzipiell jede Verknüpfung von fachlichen Prozessen und fachlichen Gegenständen denkbar und relevant. Dennoch muss der Unterricht nicht jede einzelne Verknüpfung explizit in den Blick nehmen, da weder einzelne Gegenstände an bestimmte Prozesse noch einzelne Prozesse an bestimmte Gegen­stände gebunden sind. Es liegt in der Verantwortung der Fachkonferenzen und der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer fachliche Prozesse, fachliche Gegenstände und geeignete Kontexte in schulinternen Lehrplänen und konkreten Lern- und Anforderungssituationen so zu verknüpfen, dass die Studierendendie Kompetenzerwartungen dieses Kernlehrplans erfüllen können und dass ein kohärentes Bild fachlichen Handelns entsteht:

„Mathematik können“ auf dem Niveau dieses Kernlehrplans bedeutet, dass die Studierendenam Ende des Bildungsgangs die in 2.1.1 beschriebenen Prozesse mit den in 2.1.2 enthaltenen fachlichen Gegenständen ausüben können.

2.1.1 Prozessbezogene Kompetenzen

In den fünf prozessbezogenen Bereichen werden die für das Fach charakteristischen Prozesse Modellieren, Problemlösen und Argumentieren sowie die unterstützenden Prozesse Kommunizieren und Werkzeuge nutzen mit verbindlichen Kompetenzerwartungen dargestellt.

Die Darstellung der drei für das Fach charakteristischen ProzesseModellieren, Problemlösen und Argumentierenorientiert sich dabei an idealisierten vollständigen Handlungskreisläufen. Die konkrete Anforderungshöhe resultiert beim mathematischen Arbeiten in der Regel aus den für die Bearbeitung einer Situation erforderlichen fachlichen Gegenständen und der Komplexität der jeweils zu bearbeitenden Situation.

Modellieren

Studierende wenden Mathematik auf konkrete Fragestellungen aus ihrer Erfahrungswelt an. Dabeisollen sie mit den jeweils zur Verfügung stehenden fachlichen Gegenständen

  • Sachsituationen mit Blick auf eine konkrete Fragestellung erfassen und strukturieren,
  • eine Sachsituation in ein mathematisches Modell übersetzen (und umgekehrt),
  • mithilfe mathematischer Kenntnisse und Fertigkeiten eine Lösung innerhalb des mathematischen Modells erarbeiten,
  • die erarbeitete Lösung wieder auf die Sachsituation beziehen,
  • die Angemessenheit aufgestellter (ggf. konkurrierender) Modelle für die Fragestellung beurteilen,
  • aufgestellte Modelle mit Blick auf die Fragestellungverbessern und
  • die Abhängigkeit einer Lösung von den getroffenen Annahmen reflektieren können.

Problemlösen

Studierende bearbeiten mathematische Fragestellungen, bei deren Lösung nicht unmittelbar auf erlernte Verfahren zurückgegriffen werden kann. Dabeisollen sie mit den jeweils zur Verfügung stehenden fachlichen Gegenständen

  • mathematische Situationen mit Blick auf das Problem erfassen und erkunden,
  • Problemlösestrategien (Zerlegen in Teilprobleme, gezieltes Schätzen und Überschlagen, Beispiele finden, systematisches Probieren, Schlussfolgern, Zurückführen auf Bekanntes, Verallgemeinern, Spezialisieren) anwenden,
  • die erarbeitete Problemlösung auf die mathematische Situation beziehen,
  • die Angemessenheit von Lösungswegen für das Problem beurteilen,
  • Lösungswege mit Blick auf das Problem verbessern,
  • die Problemstellung auf dieser Grundlage variieren und
  • Lösungsverfahren und Problemlösestrategien vergleichen und zielgerichtet auswählen können.

Argumentieren

Studierende stellen in zugänglichen mathematischen Situationen Vermutungen über Zusammenhänge auf und erarbeiten Begründungen. Dabei sollen sie mit den jeweils zur Verfügung stehenden fachlichen Gegenständen

  • mathematische Zusammenhängeerfassen und Vermutungen aufstellen,
  • verschiedene Argumentationsstrategien (Gegenbeispiel, direktes Schlussfolgern, Widerspruch) verwenden,
  • die Argumentation auf den mathematischen Zusammenhang und die Vermutung beziehen,
  • die Tauglichkeit einer Argumentation für einen Zusammenhangbeurteilen und
  • die Vermutung (Verallgemeinern oder Spezialisieren der Voraussetzung oder Folgern) oder den Zusammenhang auf dieser Grundlage variieren können.

Kommunizieren

Studierende verstehen mathematikhaltige Darstellungen und stellen eigene Denkprozesse oder mathematische Situationen angemessen und nachvollziehbar dar.Sie beziehen sich auch auf Ausführungen von Mitstudierenden oder anderen Personen. Für ihren eigenen Lernprozess dokumentieren sie wesentliche Erkenntnisse. Dabeisollen sie mit den jeweils zur Verfügung stehenden fachlichen Gegenständen

  • mündlichen und schriftlichen Darstellungen, Zeichnungen und Diagrammen relevante Informationen entnehmen,
  • eigene Denkprozesse oder mathematische Situationen verbalisieren,
  • in angemessenem Umfang die fachgebundene Sprache verwenden,
  • angemessene Darstellungsformen, wie Skizzen, Tabellen, Symbole, Diagramme, Gegenstände oder Handlungen, nutzen,
  • je nach Situationen und Zweck zwischen unterschiedlichen Darstellungsformen(z. B. Term und Graph einer Funktion) wechseln,
  • unterschiedliche Darstellungsformen eines mathematischen Sachverhalts bezüglich ihrer Vor- und Nachteile sowie ihrer Beziehungen untereinander vergleichen und beurteilen und
  • fachbezogene Informationen (u. a. im Internet) recherchieren und bewerten können.

Werkzeuge nutzen

Studierende nutzen verschiedene (digitale und nicht-digitale)
Werkzeuge für mathematisches Arbeiten. Beim Umgang mit den jeweils zur Verfügung stehenden fachlichen Gegenständen sollen sie die folgenden Werkzeuge nutzen können:

  • Geodreieck
  • Zirkel
  • Formelsammlung
  • Taschenrechner
  • Tabellenkalkulation
  • dynamische Geometrie-Software

Dabei sollensie die Eigenschaften dieser Werkzeuge kennenund die Werkzeuge der jeweiligen Situation angemessen auswählen können.

2.1.2 Inhaltsbezogene Kompetenzen

Die folgenden Kompetenzerwartungen beschreiben in den vier inhaltsbezogenen Bereichen einen verbindlichen Kern für den Mathematikunterricht an Abendrealschulen. Es liegt in der Verantwortung der Fachkonferenzen und der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer an geeigneten Stellen inhaltliche Vertiefungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Dies soll vor allem mit Blick auf die mathematischen Prozesse geschehen.

Die folgenden inhaltsbezogenen Kompetenzerwartungen erfordern im Unterricht die Bearbeitung entsprechender fachlicher Gegenstände im Sinne der typischen mathematischen Prozesse (Modellieren, Problemlösen und Argumentieren) und der unterstützenden Prozesse (Kommunizieren und Werkzeuge nutzen) sowie die Vernetzung der vier inhaltsbezogenen Bereiche untereinander. Dies bedeutet insbesondere, dass alle fachlichen Gegenstände in ihrem potenziellen Beitrag zur Lösung alltäglicher außermathematischer Problemstellungen erfahrbar werden. Rechentechniken haben in diesem Zusammenhang eindeutig eine dienende Funktion und stellen keinen Selbstzweck dar.

Arithmetik/Algebra – mit Zahlen und Symbolen umgehen können

Die Studierenden können

  • Größen umwandeln und mit ihnen rechnen (Geld, Gewicht, Zeit, Längen, Flächen, Volumina),
  • rationale Zahlen in unterschiedlichen Darstellungsformen (an der Zahlengeraden, als Dezimal-, Prozent- und Bruchzahl, in Zehnerpotenzschreibweise, in Wortform)verwenden und zwischen diesen Darstellungsformen wechseln,
  • rationale Zahlen vergleichen und ordnen,
  • mit rationalen Zahlen rechnen (Grundrechenarten, vorteilhaftes Rechnen),
  • im Anwendungszusammenhang schätzen, überschlagen und runden,
  • mit Variablen, Termen und Gleichungen arbeiten,
  • einfache Terme unter Anwendung von Rechengesetzen zielgerichtet umformen,
  • lineare Gleichungen lösen,
  • die Potenzschreibweise mit ganzzahligen Exponenten erläutern,
  • das Radizieren als Umkehrung des Potenzierens anwenden und Quadratwurzeln einfacher Zahlen im Kopf überschlagen bzw. berechnen,
  • einfache quadratische Gleichungen lösen und
  • lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen lösen.

Geometrie – ebene und räumliche Strukturen nach Maß und Form erfassen können

Die Studierenden können

  • die Grundbegriffe der ebenen und räumlichen Geometrie verwenden (Punkt, Gerade, Strahl/Halbgerade, Strecke, Winkel, Abstand, Radius, parallel, senkrecht, achsensymmetrisch, punktsymmetrisch),
  • grundlegende ebene Figuren (parallele und orthogonale Geraden, Winkel, Rechtecke, Kreise) zeichnen,
  • Figuren und Körper begrifflich unterscheiden (besondere Dreiecke: gleichseitig, gleichschenklig, rechtwinklig; besondere Vierecke: Quadrat, Rechteck, Parallelogramm, Trapez;weitere Figuren und Körper: Kreis, Prisma, Kugel, Pyramide, Zylinder, Kegel),
  • Netze und Schrägbilder von Prismen und Pyramiden zeichnen und interpretieren,
  • im ebenen Koordinatensystem arbeiten,
  • Winkel von ebenen Figuren messen,
  • Umfänge von Vielecken und Kreisen bestimmen,
  • Flächeninhalte von Dreiecken, Parallelogrammen, Trapezen, Kreisen, Kreissektoren und von daraus zusammengesetzten Flächen bestimmen,
  • Oberflächen und Volumina von Prismen, Pyramiden, Kegeln und Kugeln und daraus zusammengesetzten Körpern bestimmen,
  • mithilfe der Definitionen von Sinus, Kosinus und Tangens im rechtwinkligen Dreieck Längen und Winkel bestimmen,
  • den Innenwinkelsummensatz für Dreiecke und Vierecke nutzen,
  • Kongruenzen (im Sinne anschaulich evidenter Deckungsgleichheit) erkennen und nutzen,
  • den Satz des Pythagoras und den Satz des Thales nutzen und
  • Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen ebenen Figuren (im Sinne maßstabsgetreuer Vergrößerungen und Verkleinerungen) erkennen und nutzen.

Funktionen – Beziehungen und Veränderungen erkunden und beschreiben können

Die Studierenden können

  • Beziehungen zwischen Zahlen bzw. Größen mit eigenen Worten, in Tabellen und Diagrammen darstellen,
  • Zuordnungen mit eigenen Worten, Wertetabellen, Graphen und Termen darstellen,
  • Funktionen mit eigenen Worten, Wertetabellen, Graphen und Funktionsgleichungen darstellen, zwischen diesen Darstellungen wechseln und deren Vor- und Nachteile benennen,
  • proportionale, antiproportionale und lineare Zuordnungen begrifflich unterscheiden und für Berechnungen nutzen,
  • den Dreisatz nutzen,
  • Prozentwert, Prozentsatz und Grundwert in Realsituationen berechnen (auch Zinsrechnung),
  • lineare Funktionen nutzen (auch zum Lösen linearer Gleichungen),
  • quadratische Funktionen nutzen und die Parameter in den unterschiedlichen Termdarstellungen interpretieren,
  • exponentielles Wachstum begrifflich abgrenzen und für Berechnungen im Zusammenhang mit Zinseszinsproblemen nutzen und
  • die Sinusfunktion als Basismodell für periodische Vorgänge identifizieren und ihre grundlegenden Eigenschaften benennen.

Stochastik – mit Daten und Zufall arbeiten können

Die Studierenden können

  • Datenerhebungen ausgehend von einer Fragestellung planen, durchführen und auswerten,
  • Daten in Säulen- und Kreisdiagrammen präsentieren,
  • relative Häufigkeiten, arithmetisches Mittel und Median bestimmen,
  • statistische Darstellungen (Diagramme, Boxplots) lesen, interpretieren und (z. B. im Hinblick auf Manipulationen) analysieren,
  • Zufallsexperimente planen, durchführen und auswerten,
  • relative Häufigkeiten zur Schätzung von Wahrscheinlichkeiten nutzen (empirisches Gesetz der großen Zahl),
  • in geeigneten Situationen den LAPLACE-Ansatz zur Prognose von Wahrscheinlichkeiten verwenden und
  • Baumdiagramme und Pfadregeln bei zweistufigen Zufallsexperimenten nutzen.

2.2 Kontexte für Lebensgestaltung und Berufsorientierung

Im Mathematikunterricht der Abendrealschule sollen Begriffe, Zusammenhänge und Verfahren vor allem aus außermathematischen Kontexten heraus entwickelt bzw. in solchen Kontexten angewendet werden. Die konkrete Auswahl entsprechender Kontexte ist Aufgabe der Fachkonferenzen und der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer.

Der Mathematikunterricht an der Abendrealschule soll über die Entwicklung primär fachbezogener Kompetenzen hinaus wesentliche Beiträge für die Lebensgestaltung und die Berufsorientierung der Studierenden leisten. Dies geschieht, indem die Studierenden im Mathematikunterricht erfahren können,

  • wie mathematische Kompetenzen bei der Lebensgestaltung – vor allem beim quantitativen Umgang mit Ressourcen (z. B. Geld, Zeit, Werkstoffe) – und bei der Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben (z. B. beim Argumentieren mit Daten und Statistiken) helfen können und
  • welche mathematischen Kompetenzen in unterschiedlichen Berufsfeldern benötigt und angewendet werden.

Dieses Ziel kann vor allem durch Auswahl geeigneter Kontexte für den Mathematikunterricht erreicht werden. Die folgende Übersicht enthält einige ergiebige Kontexte für die Lebensgestaltung und die Berufsorientierung. Es ist die Aufgabe der Fachkonferenzen, sich auf eine Auswahl aus diesen Kontexten zu verständigen und die Bearbeitung der ausgewählten Kontexte in den schulinternen Lehrplänen verbindlich zu machen. Über diese schulintern verbindlichen Kontexte hinaus ist es Aufgabe der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer, weitere für die oben genannten Zielsetzungen relevante Kontexte mit Blick auf die Bedürfnisse der jeweiligen Lerngruppe und der einzelnen Studierenden auszuwählen.

Lebensgestaltung

Berufsorientierung

Freizeitverhalten
  • Lebenshaltungskosten
    • Warenkorb (des statistischen Bundesamtes)
    • Grundrisse, Wohnflächen, Kaltmiete, Mietnebenkosten
    • Tarif- und Preisvergleiche
  • Finanzierung von Ausgaben
    • Vergleich von Angeboten
    • Ratenzahlung, Rabatte
    • Kredite/Überschuldung
  • Soziale Absicherung/Abgaben
    • Sozialversicherung
    • Altersvorsorge, Kaufkraft(-verlust)
    • Vollzeit – Teilzeit – Minijob: Folgen für die Absicherung
    • Einkommenssteuer und andere Steuern
  • Ernährung
    • „Ernährungspyramide“
    • Energiebilanz
    • „Normalgewicht“ (BMI)
  • Verkehr
    • - Risikoabschätzungen
      (Geschwindigkeit/Bremsweg)
    • - Umwelt
    • - Kosten
  • Argumentieren mit Zahlen
    • Statistiken/Manipulationsmöglichkeiten
    • Darstellungen von Zahlen
    • Plausibilität von Daten
    • ‚Mogelpackungen‘
  • Wahlen
    • Wahlprognosen
    • Modelle für Sitzzuteilungen
  • Mathematik in verschiedenen Berufen
    • soziale/pflegerische Berufe
    • Handel/Dienstleistungen
    • Handwerk
    • Industrie
    • Verwaltung
    • Naturwissenschaften
    • Ingenieurwesen
    • Human- und Sozialforschung
  • Daten zu verschiedenen Berufen und zum Arbeitsmarkt
    • Gehälter in verschiedenen
      Berufen
    • Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen
    • Kosten der Berufsausübung
    • Ausbildungsplatzsituation
    • Daten zur Erwerbstätigkeit

Kontexte für den Mathematikunterricht in der Abendrealschule

Alle hier genannten Kontexte haben auch in anderen Fächern bzw. Lernbereichen eine besondere Relevanz. Die Thematisierung der verbindlichen Kontexte muss also fächerübergreifend erfolgen. So wird gewährleistet, dass für die Lebensgestaltung und die Berufsorientierung wichtige Kontexte nicht einseitig aus der Perspektive eines Fachs erscheinen.

2.3 Hinweise für einen sprachsensiblen Fachunterricht

Fachliches Lernen und sprachliches Lernen sind untrennbar miteinander verbunden. Sprache besitzt dabei eine besondere Bedeutung – zum einen für die fachliche Kommunikation, zum anderen aber auch für die fachlichen Verstehensprozesse und die begriffliche Erfassung von Welt. Das Denken in funktionalen Zusammenhängen etwa ist Studierenden nur dann adäquat möglich, wenn sie über entsprechende sprachliche Mittel verfügen („Wie verändert sich …, wenn sich … verändert/immer größer wird/immer kleiner wird?“).

Sprachkompetenzentwicklung in Mathematik beschränkt sich somit keineswegs auf den Kompetenzbereich Kommunikation, sondern bestimmt alleLernprozesse wesentlich mit. Bei der Auseinandersetzung mit fachtypischen Phänomenen müssen die jeweils förderlichen sprachlichen Mittel berücksichtigt werden. Dabei spielen die folgenden Sprachhandlungen eine zentrale Rolle. In der abschließenden Tabelle sind auf der Wortebene, der Satzebene und der Textebene einige Konventionen des fachlichen Sprachgebrauchs exemplarisch zusammengestellt.

Benennen, Definieren

  • Erfassen und präzises Bezeichnen fachlich relevanter Aspekte und Unterrichtsgegenstände (z. B. Objekte, Prozesse, Ereignisse, Themen und Problemstellungen der realen Welt und zugehöriger mathematischer Idealisierungen) anhand von fachbezogenen Begriffen

Berichten

  • angemessene Wiedergabe mithilfe sachlicher Wortwahl (Vermeidung subjektiver Eindrücke) auch unter Verwendung von Fachsprache
  • Nutzung des richtigen Tempusgebrauchs bei der Wiedergabe von vergangenen bzw. gültigen Ereignissen, Erlebnissen und Vorgängen
  • Abstimmung des Informationsgehalts sowie der Abfolge von Informationen auf den konkreten Zweck des Berichts

Erklären, Erläutern

  • angemessene Verbalisierung von Zusammenhängen, z. B. Beachtung logischer Verknüpfungen, adäquater Nebensatzkonstruktionen, Herstellung zeitlicher Bezüge
  • Generalisierung von Zusammenhängen unter Beachtung vergangener und zukünftiger Prozesse und Ereignisse durch Präsensgebrauch und bestimmte Formulierungen, die vom Konkreten abweichen, z. B.im Allgemeinen, dann gilt, daraus folgt
  • sachliche Äußerung unter Verwendung eines nicht emotionalen Sprachstils

Bewerten, Beurteilen

  • überzeugendes Vertreten der eigenen Position durch klare adressatenbezogene Sprache
  • Beurteilung und Bewertung z. B. von Sachverhalten, Ereignissen und Verhaltensweisen unter Verwendung begründender Formulierungen

Argumentieren, Stellung beziehen

  • Unterscheidung zwischen faktengestützten Aussagen und Annahmen durch Erkennen bzw. eigene Verwendung sprachlicher Signale, die die Validität untermauern, abschwächen oder widerlegen, z. B.wahrscheinlich, bestimmt, vermutlich, eventuell
  • Untermauern der eigenen Position durch Formulierung von Begründungen, Abwägung, Verknüpfung, z. B.zwar, jedoch, aber, dennoch, durchaus

Im Einzelnen bedeutet dies:

Wortebene

  • Unterscheidung zwischen Umgangs- und Standardsprache, z. B.keiner, was, egal/niemand, etwas, gleichgültig
  • Möglichkeiten der präziseren Begrifflichkeit, Nuancierung und Differenzierung des standardsprachlichen Wortschatzes durch Adjektive, durch Adverbien, durch adverbiale Ergänzungen, z. B.Adjektive: typisch, heftig, gut; Adverbien: dorthin, vermutlich, bergauf; adverbiale Ergänzungen: Wissenschaftler sollten unabhängig von persönlichen Vorlieben Sachverhalte objektiv darstellen., Die Vermutung wird durch unsere Messungen im vollen Umfang bestätigt., Ich habe mehrere Male versucht, ein geeignetes Mischungsverhältnis zu bestimmen.
  • sachbezogener und fachsprachlicher Wortschatz
  • Bedeutungsänderung in fachsprachlichen Kontexten, z. B.schneiden, Operation, Funktion, faires Spiel, Folge, Potenz
  • Bedeutungen von Formeln, Symbolen, Maßeinheiten, Ziffern, Sonderzeichen (z. B.m (Masse), m (Meter), kg, f(x), +, >)
  • Verdichtung durch Nominalisierungen, z. B.Durch Verdopplung des Ergebnisses erhält man eine ganze Zahl. = Wenn man das Ergebnis verdoppelt, erhält man eine ganze Zahl.

Satzebene

  • komplexere Satzkonstruktionen, um Zusammenhänge und Beziehungen darzustellen: zeitlich, z. B. danach; begründend, z. B. wenn… dann; bedingend, z. B. unter der Voraussetzung, dass…
  • funktionsgerechte sprachliche Signale, z. B. Signale der Thesenformulierung, der Gegenüberstellung, des Belegens, des Abwägens, der Schlussfolgerung, der alternativen Möglichkeiten
  • fachliche Konventionen:
    • Tempusgebrauch, z. B. Präsens bei der Beschreibung von Algorithmen
    • Konjunktivgebrauch, z. B. Annahmen, Gedankenexperimente, Variation von Größen
  • Sachverhalte zur Generalisierung entpersonalisieren durch Passiv oder durch unpersönliches Subjekt, z. B. bei der Beschreibung von Regeln und Verfahren („Man kann den Flächeninhalt eines Rechtecks berechnen, indem man die beiden Seitenlängen multipliziert.“)

Textebene

  • globale Kohärenz: inhaltlicher Gesamtzusammenhang, „roter Faden“ eines Textes: z. B. schlüssige, bruchlose Darstellung von Zusammenhängen, Berücksichtigung inhaltlicher und sprachlicher Zusammenhänge, die rückverweisende bzw. eindeutige Verwendung eines Pronomens auf den vorherigen Absatz
  • Adressat: z. B. Sprachstil den Zuhörern anpassen; zielorientiert: z. B. werbend, informierend-situationsorientiert: z. B. Informationsstand bekannt/unbekannt à ggf. vorheriges Erklären von Fachbegriffen
  • Berücksichtigung fachspezifischer Textsorten; z. B. Beschreibung von Algorithmen, Definition, Bericht, Artikel, Sachbuch
  • Unterscheidung zwischen Schriftsprache und gesprochener Sprache (schriftlich (s): keine unmittelbare Situations- und Handlungseinbindung/mündlich (m): Situations- und Handlungseinbindung):
  • (s): Wahrnehmungsraum von Sender und Empfänger nicht identisch: im Anschluss daran, hinter dem Schnittpunkt, auf der gegenüberliegenden Seite/(m): gemeinsamer Wahrnehmungsraum, auf den man verweisen kann: dann, dort, da drüben
    • (s): Planungszeit/(m): Flüchtigkeit
    • (s): keine weiteren Informationsträger/(m): weitere Informationsträger: Gestik, Mimik, Tonfall
    • (s): Exaktheit der Begriffe: niemand, etwas, gleichgültig/(m): Toleranz in der Begrifflichkeit: keiner, was, egal
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