1 Aufgaben und Ziele des Faches
Innerhalb des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfelds besitzen die Fächer Deutsch, Kunst, Musik und Literatur neben ihrer fachspezifischen Ausrichtung Gemeinsamkeiten: Sie leisten innerhalb des Fächerkanons des Weiterbildungskollegs wesentliche Beiträge zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung, die die Wahrnehmung, Gestaltung und Reflexion der Vielgestaltigkeit von Kultur und Lebenswirklichkeit umfassen.
Innerhalb der von allen Fächern zu erfüllenden Querschnittsaufgaben tragen insbesondere auch die Fächer des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfelds im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter-und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei. Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung, zur interdisziplinären Verknüpfung von Kompetenzen, auch mit gesellschafts-, sprach-und naturwissenschaftlichen Feldern, sowie zur Vorbereitung auf weitere Ausbildung, Studium, Arbeit und Beruf.
Musik gehört auf vielfältige Weise zum täglichen Leben, ob als Klangkulisse zu Alltagshandlungen oder in bewusster Hinwendung und Nutzung. Vor dem Hintergrund des europäisch-abendländischen Kunstverständnisses und im Hinblick auf interkulturelle Entwicklungen dient Musik – neben funktionalen Zusammenhängen – sowohl dem ästhetischen Genuss als auch der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Dazu steht jede Art von Musik unterschiedlicher Zeiten und Kulturen zur Verfügung, in technischer Reproduktion und im Konzert ebenso wie in der eigenen Musizierpraxis.
In der umfassenden Präsenz, Vielgestaltigkeit und Verfügbarkeit von Musik trägt das Fach Musik im Weiterbildungskolleg dazu bei, den sich in Entwicklung befindenden Studierenden zu befähigen, seine künstlerisch-ästhetische Identität weiter zu entwickeln, sein kreatives und musikalisches Gestaltungspotential zu entfalten und seine kulturelle Orientierung auszubauen. Darüber hinaus soll er sein ästhetisches Reflexions-und Urteilsvermögen vertiefen.
Grundlage dafür sind sowohl die Bereitschaft, sich auf verschiedenartige Musik einzulassen, als auch die dort erworbenen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Im Weiterbildungskolleg bedürfen diese der Aktualisierung und Vertiefung. Die dazu erforderlichen Kompetenzen entwickeln sich im Zusammenspiel von Neugier, Motivation, Fähigkeit, Wissen, Handeln, Verstehen, Urteilen und Erfahrung. Sie entwickeln sich weiterhin in Verbindung mit Hörerlebnissen, in der Auseinandersetzung mit der stilistischen, historischen und funktionalen Vielgestaltigkeit von Musik, in kreativen Schaffens-und Ausführungsprozessen, in der Herstellung und Thematisierung von Kontexten und – nicht zuletzt – im musikalisch-ästhetischen Erleben.
Die Studierenden verfügen zu Beginn des Abendgymnasiums und Kollegs sowohl ansatzweise über musikalisch-ästhetische Kompetenzen als auch über handlungsbezogene Kompetenzen.
Musikalisch-ästhetische Kompetenzen beschreiben Fähigkeiten, die in besonderem Maße individuell geprägt sind und sich einer standardisierten Überprüfung weitgehend entziehen. Sie lassen sich unter vier komplementären Aspekten konkretisieren: Wahrnehmung, Empathie, Intuition und Körpersensibilität. Zur Wahrnehmung gehört die grundsätzliche Bereitschaft, sich auf Musik und die durch sie auslösbaren Erlebnispotentiale einzulassen, sowie die Fähigkeit, ihr konzentriert zuzuhören und den durch sie ausgelösten Stimmungen, Emotionen und Assoziationen nachzugehen. Empathie beschreibt in diesem Zusammenhang die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich mit Anteilnahme, Sensibilität und Vorstellungsvermögen auf Musik einzulassen und die eigene Erfahrungswelt für eine Auseinandersetzung mit Musik zu nutzen. Intuition meint subjektive und unabhängig von Reflexionsprozessen getroffene Entscheidungen im Vertrauen auf die eigene Erlebnisfähigkeit. Sie erfordert die Bereitschaft, eigene Erfahrungen, Ideen und Wissen offen und unmittelbar in kreative Prozesse oder in die hörende Auseinandersetzung einzubringen. Körpersensibilität ermöglicht es, Bewegungsvorstellungen im Erleben des eigenen Körpers entstehen zu lassen und damit auf den energetischen Gehalt von Musik zu reagieren. Sie setzt die Bereitschaft voraus, sich auf den eigenen Körper einzulassen und ihn mit seinen Möglichkeiten und Grenzen in der Ausübung wie auch in der Wahrnehmung von Musik zu erkunden.
Neben den musikalisch-ästhetischen Kompetenzen erweitern die Studierenden im Musikunterricht des Bildungsgangs des Weiterbildungskollegs handlungsbezogene Kompetenzen. Dabei handelt es sich um musikbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich auf alle Erfahrungs-, Wissens-und Handlungsfelder in der Auseinandersetzung mit Musik beziehen. Sie setzen eine bewusste Wahrnehmung voraus. In Verbindung mit Inhalten und Gegenständen beschreiben sie fachliche Anforderungen und Lernergebnisse, die überprüfbar sind. Im Weiteren werden deshalb nur die handlungsbezogenen Kompetenzen explizit ausgewiesen.
Grundlage für den Unterricht im Weiterbildungskolleg sind die spezifischen Rahmenbedingungen des Lernens in dieser Schulform. Die Eingangsvoraussetzungen der Studierenden werden durch ihre heterogenen und teilweise diskontinuierlichen Berufs- und Lernbiografien geprägt. Der Unterricht am Weiterbildungskolleg ist somit in besonderer Weise der individuellen Förderung verpflichtet. Dabei geht es darum, die Potenziale jedes Einzelnen zu erkennen, zu entwickeln, zu fördern, auf die unterschiedlichen Lernerfahrungen der Studierenden einzugehen und den Bildungsverlauf durch systematische individuelle Beratung und Unterstützung zu begleiten. Dies korrespondiert mit dem Leitbild des aktiven kooperativen und selbstständigen Lernens. In diesem Sinne bietet der Unterricht vielfältige und anregungsreiche Lerngelegenheiten, in denen die Studierenden ihr Können und Wissen in gut organisierter und vernetzter Weise erwerben, vertiefen und reflektieren sowie zunehmend mehr eigene Verantwortung für den Erwerb von Kompetenzen übernehmen. Studierende können dabei ihre unterschiedlichen Lebens-und Berufserfahrungen einbringen und sich gegenseitig Anregungen geben.
In der Einführungsphase erwerben die Studierenden Kompetenzen, die eine grundlegende fachliche Auseinandersetzung mit Musik ermöglichen. Dazu gehört eine breite inhaltliche Ausrichtung sowie der systematische Aufbau eines Methodenrepertoires. Die im Kernlehrplan für die Einführungsphase formulierten Kompetenzerwartungen kennzeichnen einen Kompetenzstand, der für das Ende der Einführungsphase als Orientierung dient, u. U. aber nicht als abgeschlossen gelten kann. Vielmehr werden die geforderten Kompetenzen durch ihre kontinuierliche Anwendung bis zum Abitur sicher erworben.
In der Qualifikationsphase werden diese Kompetenzen erweitert. In Grundkursen findet die Auseinandersetzung mit Musik grundlegend und in exemplarischer Form statt.
In Leistungskursen erfolgt die Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten vertiefter und ist auf vielfältigere und komplexere Inhalte bezogen. Sie erfordert einen höheren Reflexionsgrad sowie die selbstständige Anwendung fachspezifischer Methoden.