Phasenweise Geschlechtertrennung
Schülerinnen und Schüler werden in der Regel gemeinsam unterrichtet (Koedukation, § 2 Absatz 4 Schulgesetz). Abweichend von diesem Grundsatz können einzelne Schulen als Mädchen- und Jungenschulen geführt werden. In koedukativen Schulen ist es möglich, in einzelnen Unterrichtsbereichen oder phasenweise geschlechtergetrennt zu unterrichten (Monoedukation), zum Beispiel in der Sexualerziehung. Das Arbeiten in einer geschlechtshomogenen Gruppe kann von den Beteiligten als Schutz- und Entlastungsraum wahrgenommen werden, in dem auch gemeinsame Erfahrungen in Bezug auf geschlechtsbezogene Anforderungen thematisiert werden können. Eine Trennung von Jungen und Mädchen kann auch dazu dienen, Geschlechter-Dynamiken und Rollenzuweisungen aufzubrechen, die in gemischten Gruppen auftreten. So sind in manchen Fallbeispielen im Rahmen der Unterrichtsforschung positive Effekte einer Geschlechtertrennung festgestellt worden, zum Beispiel auf das Interesse und Selbstbewusstsein von Mädchen in Naturwissenschaften (vgl. z. B. Peters-Bokowski 2019, S. 30 f.). Auf der anderen Seite impliziert eine organisatorische Geschlechtertrennung gewisse Pauschalisierungen und birgt das Risiko einer Verstärkung von Stereotypen und Geschlechterunterschieden. Außerdem bringt es Lernende in eine schwierige Situation, die nicht eindeutig weiblich oder männlich sind oder sein wollen, wie in der Rubrik Dimensionen von Geschlecht dargestellt. Hinzu kommt, dass mögliche positive Effekte der Monoedukation auch in koedukativen Lernsettings verwirklicht werden können, zum Beispiel indem auf die gleichmäßige Beteiligung der Lernenden ohne Dominanz eines Geschlechtes hingewirkt wird und gegenseitige Rücksichtnahme gefördert wird.
Empirische Studien haben insgesamt kein eindeutiges Ergebnis zu den Effekten eines geschlechtergetrennten Unterrichts ergeben – weder für Mädchen noch für Jungen (vgl. Budde/Kansteiner/Bossen 2016, S. 29 ff.).
Sofern sich eine Schule für eine – in der Regel auf einzelne Fächer oder Themen sowie Jahrgangstufen begrenzte – Monoedukation und damit für eine explizite Strategie und eine „Dramatisierung“ der Kategorie Geschlecht entscheidet, sind neben einer gründlichen Reflexion und Evaluation der Erfahrungen in jedem Fall auch entdramatisierende Ansätze wichtig. Hierzu zählt, den Lernenden die Gründe für die Geschlechtertrennung altersgerecht zu erklären. Es darf bei den Lernenden nicht der Eindruck entstehen, Mädchen oder Jungen bedürften in bestimmten Bereichen besonderer Förderung, weil sie dort grundsätzlich schlechter oder weniger talentiert seien. Außerdem ist es wichtig, dass die anschließende Zusammenführung der Mädchen- und Jungenkurse sensibel begleitet wird, damit die möglichen positiven Effekte des geschlechtergetrennten Unterrichts nachhaltig gesichert werden können.
Verwendete Literatur
- Budde, Jürgen/ Kansteiner, Katja/ Bossen, Andrea (2016): Zwischen Differenz und Differenzierung. Erziehungswissenschaftliche Forschung zu Mono- und Koedukation, Wiesbaden.
- Peters-Bokowski, Angela (2019): Jungen und Mädchenklassen auf Zeit, in: Pädagogik (12/2019), S. 29-31.
Weiterführende Literatur
- Budde, Jürgen/Kansteiner, Katja/Bossen, Andrea (2016): Zwischen Differenz und Differenzierung. Erziehungswissenschaftliche Forschung zu Mono- und Koedukation, Wiesbaden.
- Kampshoff, Marita (2012): Geschlechtertrennung ja oder nein?! in: Kampshoff, Marita/Wiepcke, Claudia (Hrsg.): Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik, Wiesbaden, S. 443-454.
Publikationen
- Veröffentlichung "Pädagogische Orientierung für eine geschlechtersensible Bildung in Schulen in Nordrhein-Westfalen"
- Buch "Gendersensible Bildung und Erziehung in der Schule" in der QUA-LiS Publikationsreihe Beiträge zur Schulentwicklung
Im Kontext
Ansprechpartnerin:
Ilke Glockentöger
E-Mail 02921/683-3022
In der QUA-LiS arbeitet eine Kommission mit Lehrkräften aus NRW zu geschlechtersensibler Bildung in der Schule. Bei Interesse an einer Mitarbeit melden Sie sich bitte bei Ilke Glockentöger.