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Schreiben anleiten

In Schreibschrift übereinander liegende Blätter

Im Deutschunterricht wird das Schreiben häufig als Schreibprozess, zergliedert in Planen, Formulieren und Überarbeiten angeleitet. Diese Gliederung ist zurückzuführen auf ein Schreibmodell, das zu Beginn der 1980er Jahre von Hayes und Flower entwickelt wurde.

Abbildung Prozessmodell

Das Prozessmodell von Hayes/Flower in deutscher Übersetzung (Molitor-Lübbert 1996).

Dieses Modell zeigt, welche Teilprozesse und welche Operationen gute Schreibende während des Schreibens durchlaufen, steuern und überwachen, und auf welche Ressourcen sie zurückgreifen.

Zu den Ressourcen:

Um einen Text zu verfassen, greifen Schreibende auf unterschiedliche Ressourcen zurück. Dazu gehört das Langzeitgedächtnis und das Aufgabenumfeld, in das der zu verfassende Text eingebettet ist. Das Aufgabenumfeld umfasst den Schreibauftrag mit Informationen zum Thema des Textes, zu seinem Adressaten und seiner Zielsetzung (Hier mit dem Begriff Motivation erfasst). Diese Hinweise nutzen Schreibende, um mit Hilfe des Langzeitgedächtnisses das Wissen zum Thema und über die Adressaten für den zu schreibenden Text zu nutzen. Im Langzeitgedächtnis guter Schreibenden sind zudem Pläne zu Texten als auch Pläne für bestimmte Operationen gespeichert. Schreibauftrag und Langzeitgedächtnis geben damit auch die Prüfkriterien vor, an denen sich der Schreibprozess orientiert.

Zu den Teilprozessen Planen, Formulieren und Überarbeiten:

Die Teilprozesse sind interaktiv miteinander verbunden, das Modell setzt keine feste Abfolge der Teilprozesse voraus und definiert damit auch keine identische Länge der Teilprozesse. Ebenso können die Teilprozesse beliebig oft wiederholt werden. Zum Planen eines Textes gehört nach dem Modell das Generieren von Ideen und Wissen mit Hilfe des Langzeitgedächtnisses, welches dann entsprechend dem zu verfassenden Text strukturiert wird. Gleichzeitig werden beim Planen auch bestimmte Ziele gesetzt, die in den Teilprozessen Formulieren und Überarbeiten überprüft werden. Beim Formulieren des Textes greifen Schreibende auf Planungen zurück, die in einen Text übersetzt werden. Ebenfalls auf Basis der Planungen wird beim Überarbeiten der Text gelesen und ggf. revidiert.

Zur Regulation des Schreibprozesses:

Gute Schreibende zeichnen sich wie auch gute Leserinnen und Leser dadurch aus, dass sie die Prozesse, die sie durchlaufen, überwachen und steuern. Beim Schreiben greift man vor dem Hintergrund eigenen Wissens aus dem Langzeitgedächtnis und der Informationen aus dem Schreibauftrag sowie des bisher verfassten Textes auf bestimmte Schreibstrategien zurück, mit denen das Vorgehen gesteuert, revidiert und ggf. neu ausgerichtet wird.

Das Modell kann für die Vorbereitung des eigenen Unterrichts auch als Hilfe genutzt werden, um vorhandene Aufgaben an die jeweilige Lerngruppe anzupassen. Dazu lassen sich aus dem Modell die folgenden Fragen ableiten:
  • Gibt es einen Schreibauftrag? Welche Informationen können aus dem Schreibauftrag entnommen werden? Welche Informationen können noch ergänzt werden, um den Schülerinnen und Schülern eine Hilfestellung zu geben?
  • Welches Wissen brauchen die Schülerinnen und Schüler zum Thema des Textes? Ist dieses Wissen bereits vorhanden? Wie und in welcher Form kann ihnen das nötige Wissen bereitgestellt werden?
  • Was wissen die Schülerinnen und Schüler über die Adressaten des Textes? Können sie deren Wissen zum Thema einschätzen? Können sie einschätzen, in welchen sprachlichen Registern ein Text verfasst sein muss, damit er für die Adressaten verständlich ist?
  • Können die Schülerinnen und Schüler die Zielsetzung des Textes verstehen? Ist ihnen die zu verfassende Textsorte aus dem Unterricht bekannt?
  • Wie wird das Planen des Textes angeleitet? Gibt es dazu Alternativen?
  • Wie wird das Formulieren des Textes angeleitet? Gibt es Formulierungshilfen für die Schülerinnen und Schüler? Wissen die Schülerinnen und Schüler, wie sie diese Formulierungshilfen für ihren eigenen Text nutzen können?
  • Wie wird das Überarbeiten des Textes angeleitet? Gibt es dazu Alternativen?
  • Gibt es Aufgaben, die die Schülerinnen und Schüler dazu anleiten, ihre eigene Vorgehensweise zu überprüfen und zu reflektieren? Gibt es Aufgaben, die darauf abzielen, dass die Schülerinnen und Schüler sich über ihre individuellen Vorgehensweisen austauschen?

Gute Schreibende überwachen und regulieren ihren Schreibprozess, um auf Schwierigkeiten zu reagieren und ihn erfolgreich zu beenden. Dazu gehört, dass sie sich über ihre Vorgehensweisen beim Schreiben bewusst sind und diese reflektieren. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Schreibprozess reflektieren zu lassen. An dieser Stelle sollen zwei Möglichkeiten vorgestellt werden, die sich ohne viel Aufwand in den Unterricht integrieren lassen.

Möglichkeit 1: Schülerinnen und Schüler können ihr Vorgehen beim Schreiben bildlich festhalten, indem man sie bittet, ihren persönlichen Schreibweg zu zeichnen (Sturm/Weder 2016, S. 74 ff.). Das Beispiel zeigt einen solchen Schreibweg, der von einer Schülerin der Klasse 12 gezeichnet wurde.

Schülerbeispiel

Wir möchten Frau Katharina Simmes für das Schülerbeispiel herzlich danken.

Möglichkeit 2: Die Schülerinnen und Schüler können ihr Vorgehen auch schriftlich festhalten. Die folgende Aufgabe kann dazu anregen (Becker-Mrotzek/Behrens 2014, S. 83).

Schreibe einen Text darüber, aus dem deutlich wird, welche Texte du zurzeit schreibst. Wähle Textsorte, das Medium und die Adressaten selbst. Wie geht es an deinem Schreibtisch derzeit zu? Wie entstehen deine Texte? In welcher Phase des Schreibens hast du vielleicht Probleme (z.B. bei der Ideenfindung, bei der Gliederung, beim Einhalten der Textsortenmerkmale, beim Überarbeiten)?

Der folgende Text ist in einem Universitätsseminar zum Thema „Schreiben“ entstanden und wurde von einer Master-Studierenden verfasst. Er zeigt, wie die Aufgabe dazu anregen kann, unterschiedliche Formen des Schreibens zu reflektieren:

Die Bücher und Fachliteraturen stapeln sich auf meinem Schreibtisch. Dieses Bild spiegelt den Hauptfokus meines jetzigen Schreibens wider. Ich schreibe Hausarbeiten, Kommentare, Reflexionen und besonders viele Planungsdidaktiken, da ich mich derzeit eigentlich in der Praxisphase befinde. Alle diese Arbeiten fokussieren ein bildungs- bzw. fachsprachliches Niveau. Bei den Hausarbeiten und Planungsdidaktiken kann ich auf eine feste Struktur zurückgreifen, an die ich mein Geschriebenes anpasse. Für Hausarbeiten sind die klassischen Aufbaumerkmale wie Einleitung, Definitionen, Theorien und Konzepte, Analyse, kritische Auseinandersetzung, Fazit und Ausblick wichtig. Damit ist die Grundgliederung bereits vorgegeben. Gleiches gilt für die Planungsdidaktiken. Durch diese „feste“ Gliederung fällt es mir oft schwer, die einzelnen Teile sprachlich und inhaltlich zu verknüpfen, damit eine Arbeit entsteht, bei der die textlichen Beziehungen klarwerden, aber keine Dopplungen entstehen. Bei den Planungsdidaktiken fällt es mir zudem manchmal schwer, das, was ich mir vorstelle, fachsprachlich treffend zu formulieren. Textformen wie Kommentare und Reflexionen fallen mir leichter, da ich hier freier formulieren kann und nicht so stark an die Regeln des wissenschaftlichen Schreibens gebunden bin. Zudem kann ich bei diesen Textformen auf eine vorhandene Grundlage, einen Text oder einen Unterrichtsversuch, zurückgreifen, sodass die Themenfindung hier natürlich leichter ist. Neben den wissenschaftlichen Texten schreibe ich viele Nachrichten in Chats oder über Messangerdienste, um mich mit Kommilitonen auszutauschen. Da diese Form konzeptionell eher mündlich ist, fällt mir diese Form des Schreibens nicht schwer, da ich so einfach schreiben kann, was ich gerade denke.

Das Modell von Hayes und Flower zeigt, wie der Schreibprozess bei guten Schreibenden verläuft, die bereits über eine bestimmte Expertise verfügen und damit auch wissen, wie Inhalte in bestimmten Textsorten strukturiert werden und welche sprachlichen Mittel dazu nötig sind. Dieses Schreibwissen kann allerdings nicht bei Schülerinnen und Schülern vorausgesetzt werden. Eine Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern dieses Wissen zu vermitteln, stellt der Genre-based-Curriculum-Cycle dar. Der Genre-based-Curriculum-Cycle ist ein didaktisches Konzept, das sich in die folgenden Schritte aufgliedern lässt:

Genre-Based-Curriculum-Cycle

1.Schritt: Vorbereitung des Arbeitsfeldes

Um das Arbeitsfeld vorzubereiten, führt die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler in das Unterrichtsthema ein und erklärt, warum und für wen ein bestimmter Text verfasst werden soll. Anschließend wird das Vorwissen der Lerngruppe zum Thema und zur intendierten Textsorte gesammelt.

2.Schritt: Gemeinsame Dekonstruktion des Modelltextes

Nachdem der ausgewählte Modelltext den Schülerinnen und Schüler präsentiert wurde und die Lehrkraft sichergestellt hat, dass alle ihn verstanden haben, erfolgt die gemeinsame Dekonstruktion des Modelltextes sowohl auf struktureller wie auch sprachlicher Ebene. Die Ergebnisse der Analyse werden von der Lehrkraft festgehalten.

3.Schritt: Gemeinsame Konstruktion eines Textes

Gemeinsam mit der gesamten Lerngruppe wird unter Anwendung der Analyseergebnisse aus dem 2. Schritt ein Paralleltext zum Modelltext verfasst. Hier bietet es sich an, ein Thema aus dem Themengebiet des Modelltextes zu wählen, um die Schülerinnen und Schüler in dieser Hinsicht zu entlasten.

4.Schritt: Individuelle Konstruktion eines Textes

Im nächsten Schritt verfassen die Schülerinnen und Schüler in Einzelarbeit einen Text für einen konkreten Verwendungszusammenhang, um die Ergebnisse aus dem 2. und 3. Schritt zu sichern.

5.Schritt: Rückmeldung zu den individuellen Texten

Diese individuell verfassten Texte werden von der Lehrkraft kommentiert. Aufgrund der Rückmeldung überarbeiten die Schülerinnen und Schüler ihre Texte.

6.Schritt: Reflexion und Dokumentation der Lernergebnisse

Das erworbene Schreibwissen wird gemeinsam reflektiert und festgehalten.

Beispiele aus dem Projekt JAMBUS:

Beispiel Tierbeschreibung Klasse 5 (PDF, 335KB)

Beispiel Charakterisierung Klasse 7 (PDF, 895KB)

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